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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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schwieg, begann sie ihn gar vorsichtig auszukundschaften, bis sie sicher war, dass er wirklich unter der Traumbuche geschlafen; und dann ging sie so lange wie die Katze um den heißen Brei, bis sie sich überzeugt zu haben glaubte, dass er nichts von der sonderbaren Kraft und Eigenschaft der Traumbuche wisse; denn er war ein Schalk und tat so, als wüsste er gar nichts. Als sie auch damit fertig war, holte sie noch einen Krug Wein, sprach ihm freundlich zu, dass er noch trinken möge, und erzählte ihm alles Mögliche, was sie geträumt hätte und wie es doch gar schade wäre, dass nie etwas in Erfüllung ginge.
    Indem kam der Schäfer vom Felde zurück und trieb die Schafe durch die Dorfstraße. Als er an der Krone vorbeikam und das Mädchen mit dem Handwerksburschen in eifrigem Gespräch in der Laube sitzen sah, blieb er einen Augenblick stehen und sagte: »Ja, ja, Euch wird er schon den hübschen Traum erzählen; mir will er nichts sagen!« Darauf trieb er seine Schafe weiter.
    Da ward das Mädchen noch neugieriger, und wie er immer noch nichts von seinem Traume sagte, konnte sie es nicht mehr verwinden und fragte ihn ganz offen, was er denn, während er unter der Buche geschlafen, geträumt habe.
    Da machte der Handwerksbursche, der ein arger Schalk und durch den schönen Traum übermütig fröhlich gestimmt war, ein schlaues Gesicht, zwinkerte mit den Augen und sagte: »Einen herrlichen Traum habe ich gehabt, das muss wahr sein; aber ich getraue mich nicht zu sagen, wie er war.« Aber sie drang immer weiter in ihn und quälte, er möchte es doch sagen. Da rückte er ganz nahe an sie heran und sagte ernsthaft: »Denkt nur, mir hat geträumt, ich würde noch einmal des Kronenwirts Töchterlein heiraten und später selbst Kronenwirt werden!«
    Da wurde das Mädchen erst kreideweiß und dann purpurrot und ging ins Haus. Nach einer Weile kam sie wieder und fragte, ob er das wirklich geträumt habe und es sein Ernst sei.
    Â»Gewiss, gewiss«, sagte er, »gerade wie Ihr sah die aus, die mir im Traum erschienen ist!« Da ging das Mädchen abermals ins Haus und kam nicht wieder. Sie ging in ihre Kammer, und die Gedanken liefen ihr übers Herz wie Wasser übers Wehr: immer neue und immer andere, und immer wieder dieselben, so, dass es gar kein Ende hatte. »Er weiß nichts von dem Baume«, sagte sie. »Er hat’s geträumt. Ich mag wollen oder nicht, es wird schon so kommen. Es ist nichts daran zu ändern.« Darauf legte sie sich zu Bett, und die ganze Nacht träumte sie von dem Handwerksburschen. Als sie am anderen Morgen aufwachte, kannte sie sein Gesicht ganz auswendig, so oft hatte sie es über Nacht im Traum gesehen – und ein schmucker Bursche war’s, das ist wahr.
    Der Handwerksbursche aber hatte auf seiner Streu wundervoll geschlafen; Traumbuche, Traum und was er am Abend zu der Wirtstochter gesagt, längst vergessen. Er stand in der Wirtsstube an der Tür und wollte eben dem Kronenwirt die Hand reichen zum Abschied. Da trat sie herein, und wie sie ihn reisefertig dastehen sah, überfiel sie eine sonderbare Angst, als dürfe sie ihn nicht fortlassen. »Vater«, sagte sie, »der Wein ist immer noch nicht gezapft, und der junge Bursch hat nichts zu tun; könnte er einen Tag hierbleiben, so möchte er sich seine Zeche verdienen und ein Stückchen Reisegeld obendrein.« Und der Kronenwirt hatte nichts dagegen, denn er hatte schon seinen Morgentrunk gemacht und gefrühstückt und war so satt, sodass es seine beste Stunde war.
    Doch das Zapfen ging sehr langsam, und das Mädchen hatte immer dies oder jenes, weshalb der Handwerksbursche einmal aus dem Keller heraufgeholt werden musste. Als das Fass endlich leer und die Flaschen gefüllt waren, meinte sie, es wäre doch ganz gut, wenn er erst noch etwas im Feld helfe; und als er damit auch fertig war, fand sich noch mancherlei im Garten zu tun, woran vorher niemand gedacht hatte. So verging Woche um Woche, und jedwede Nacht träumte sie von ihm. Am Abend aber saß sie mit ihm in der Laube vor dem Haus, und wenn er erzählte, wie es ihm weh und übel unter den fremden Leuten ergangen sei, kam ihr immer eine Schnake ins Auge oder ein Haar, sodass sie sich die Augen mit der Schürze reiben musste.
    Und nach einem Jahr war der Handwerksbursche immer noch im Hause; und alles war gescheuert, weißer Sand in allen

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