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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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drüben bei den Gänsen wäre!, und das Bärbel seufzte: Ach, wäre ich doch bei den Schweinen!
    Auf einmal nun saß der Christoph wirklich bei den Gänsen und das Bärbel bei den Schweinen; und doch waren sie wieder nicht beieinander, und die falsche Zahl konnte immer noch nicht richtig gemacht werden.
    Da dachte der Christoph: Das Bärbel wird mich wohl haben besuchen wollen. Und das Bärbel dachte: Was gilt’s, der Christoph ist andersrum zu mir rübergegangen! – Ach, wär’ ich doch bei meinen Gänsen! – Ach, wär’ ich doch bei meinen Schweinen!
    Da saß nun wieder das Bärbel bei den Gänsen und der Christoph bei den Schweinen, und so ist es den ganzen Tag über immer umschichtig fortgegangen, weil sich die beiden stets aneinander vorbeigewünscht haben. So fehlt denn der siebente Morgenkuss des Tages heute noch. Der Christoph wollte ihn zwar selbigen Abends, als sie beide, todmüde gewünscht, nach Hause kamen, nachholen, aber das Bärbel meinte, es helfe nun doch nichts mehr, und die Unordnung sei nimmer wiedergutzumachen.
    Als aber der liebe Gott sah, dass sich die beiden immer so aneinander vorbeiwünschten, sprach er: »Da habe ich etwas Gutes angerichtet. Aber, was ich gesagt habe, habe ich gesagt! Dagegen kann nun weiter nichts helfen!« So hat er sich dann vorgenommen, nie wieder Liebesleuten ihre Wünsche so ohne Weiteres in Erfüllung gehen zu lassen, sondern sich immer erst zu erkundigen, was sie denn eigentlich haben wollten. Später aber soll er einmal im Vertrauen zum Gabriel gesagt haben: Es wäre doch recht schade, dass ihre Wünsche so gar selten von der Art wären, dass er sie gewähren dürfe; und als ich mich vor langer, langer Zeit einmal in ähnlichen Angelegenheiten an ihn wandte, tat er gar nicht, als wenn er es hörte. Nachher erzählte mir der Gabriel diese Geschichte; da konnte ich mich freilich nicht mehr wundern.

Die Traumbuche
    Hundert Jahre oder mehr ist’s wohl her, dass der Blitz in sie einschlug und sie von oben bis unten auseinanderspellte, und ebenso lange schon geht der Pflug über die Stätte; früher aber stand einige Hundert Schritte vor dem ersten Hause des Dorfes auf dem grünen Rasenhügel eine alte, mächtige Buche; so ein Baum, wie jetzt gar keine mehr wachsen, weil Tiere und Menschen, Pflanzen und Bäume immer kleiner und erbärmlicher werden. Die Bauern sagten, sie stamme noch aus der Heidenzeit und ein heiliger Apostel sei unter ihr von den falschen Heiden erschlagen worden. Da hätten die Wurzeln des Baumes Apostelblut getrunken, und wie es ihm in den Stamm und in die Äste gefahren, sei er davon so groß und kräftig geworden. Wer weiß, ob’s wahr ist? Eine eigene Bewandtnis aber hatte es mit dem Baum; das wusste jeder, klein und groß im Dorf. Wer unter ihm einschlief und träumte, des Traum ging unabweislich in Erfüllung. Deshalb hieß er schon seit undenklichen Zeiten
die Traumbuche
, und niemand nannte ihn anders. Eine besondere Bedingung war jedoch dabei: Wer sich zum Schlaf legte unter die Traumbuche, durfte nicht daran denken, was er wohl träumen würde. Tat er es doch, so träumte er nichts wie Krimskrams und verworrenes Zeug, aus dem kein vernünftiger Mensch klug werden konnte. Das war nun allerdings eine sehr schwere Bedingung, weil die meisten Menschen viel zu neugierig sind, und so misslang es denn auch den allermeisten, die es versuchten; und zu der Zeit, wo die folgende Geschichte sich zutrug, war im Dorf wohl kein einziger, weder Mann noch Weib, dem es auch nur ein einziges Mal gelungen wäre. Aber seine Richtigkeit hatte es mit der Traumbuche, das war sicher.
    Eines heißen Sommertages also, da kein Lüftchen sich regte, kam auch einmal ein armer Handwerksbursche die Straße dahergewandert, dem war es in der Fremde viele Jahre hindurch weh und übel gegangen. Als er vor dem Dorfe anlangte, drehte er zum Überfluss noch einmal alle seine Taschen um, doch sie waren sämtlich leer. Was fängst du an?, dachte er bei sich. Todmüde bist du; umsonst nimmt dich kein Wirt auf, und das Fechten ist ein beschwerliches Handwerk. Da erblickte er die herrliche Buche mit dem grünen Rasenhügel davor; und da sie nur wenige Schritte abseits vom Wege stand, legte er sich unter sie ins Gras, um etwas auszuruhen. Doch der Baum hatte ein seltsames Rauschen, und wie er seine Zweige leise bewegte,

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