Der große deutsche Märchenschatz
lieà er bald hier, bald da einen feinen glitzernden Sonnenstrahl durchfallen und bald hier, bald da ein Stückchen blauen Himmel durchscheinen: Da fielen ihm die Augen zu, und er schlief ein.
Als er eingeschlafen war, warf die Buche einen Zweig mit drei Blättern herab, der fiel ihm gerade auf die Brust. Da träumte er, er säÃe in einer gar heimlichen Stube am Tisch, und der Tisch wäre sein, und die Stube auch, und ebenso das Haus. Und vor dem Tisch stände eine junge Frau, stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und sähe ihn gar freundlich an, und das wäre seine Frau. Und auf seinen Knien säÃe ein Kind, dem fütterte er seinen Brei, und weil er zu heià wäre, bliese er immer auf den Löffel. Und da sagte die Frau: »Was du doch für eine gute Kindermuhme bist, Schatz!«, und lachte darüber. In der Stube aber spränge noch ein anderes Kind herum, ein dicker, pausbäckiger Junge, und er hätte an eine groÃe Mohrrübe einen Bindfaden gebunden und zöge sie hinter sich her und riefe immer hü und hott, als wärâs der beste Fuchs. Und alle beide Kinder wären ebenfalls sein. So träumte er; und der Traum musste ihm wohl sehr gefallen, denn er lachte im Schlaf übers ganze Gesicht.
Als er aufwachte, war es schon fast Abend geworden, und vor ihm stand der Schäfer mit seinen Schafen und strickte. Da sprang er erquickt auf, dehnte und reckte sich und sagte: »Lieber Himmel, wemâs so wüchse! Es ist aber doch hübsch, dass man nun wenigstens weiÃ, wieâs ist.« Da trat der Schäfer an ihn heran und fragte ihn, woher er käme und wohin er wollte und ob er schon etwas von dem Baume gehört habe. Nachdem er sich überzeugt, dass er so unschuldig war wie ein neugeborenes Kind, rief er aus: »Ihr seid ein Glückspilz! Denn dass Ihr etwas Gutes geträumt habt, war ja doch auf Eurem Gesicht zu lesen; habe ich Euch doch schon lange betrachtet, wie Ihr so dalagt!« Darauf erzählte er ihm, was es für eine Bewandtnis mit dem Baume habe: »Was Ihr geträumt habt, geht in Erfüllung; das ist so sicher als wie, dass das hier ein Schaf und das dort ein Bock ist. Fragt nur die Leute im Dorf, ob ich nicht recht habe! Nun sagt aber auch einmal, was Ihr geträumt habt!« â »Alterchen«, erwiderte der Handwerksbursche schmunzelnd, »so fragt man die Bauern aus. Meinen schönen Traum behalte ich für mich; das könnt Ihr mir nun schon gar nicht verdenken. Aber daraus werden tut doch nichts!« Und das sagte er nicht bloà so, sondern es war sein Ernst; denn als er nun auf das Dorf zuging, sprach er vor sich hin: »Papperlapapp, Schäferschnack! Möchte wohl wissen, wo der Baum die Wissenschaft herhaben sollte.«
Als er in das Dorf kam, ragte am dritten Haus vom Giebel eine lange Stange heraus, an der hing eine goldene Krone, und unten vor der Haustüre stand der Kronenwirt. Der war gerade sehr guter Laune, denn er hatte schon zur Nacht gegessen und war rundherum satt, und das war seine beste Stunde. Da zog er höflich den Hut und fragte, ob er ihn nicht um einen Gotteslohn zur Nacht behalten wolle. Der Kronenwirt besah sich den schmucken Burschen in seinen staubigen, abgerissenen Kleidern von oben bis unten. Dann nickte er freundlich und sagte: »Setz dich nur gleich hier in die Laube neben die Tür; es wird wohl noch ein Stück Brot und ein Krug Wein übrig geblieben sein. Unterdessen können sie dir eine Streu machen.« Darauf ging er hinein und schickte seine Tochter, die brachte Brot und Wein, setzte sich zu ihm und lieà sich erzählen, wie es in der Fremde aussähe. Dann erzählte sie ihm auch wieder alles, was sie wusste, aus dem Dorf: wie der Weizen stände, und dass des Nachbars Frau Zwillinge bekommen hätte, und wann das nächste Mal in der Krone zu Tanz gespielt würde.
Auf einmal aber stand sie auf, bog sich zu dem Handwerksburschen über den Tisch hinüber und sagte: »Was hast du denn da für drei Blätter am Latz?« Da sah der Handwerksbursche hin und fand den Zweig mit den drei Blättern, der während des Schlafes auf ihn herabgefallen war. Er steckte ihm gerade im Latz. »Die müssen von der groÃen Buche dicht vorm Dorfe sein«, erwiderte er, »unter der ich ein kleines Nickerchen gemacht habe.«
Da horchte das Mädchen neugierig auf und wartete, was er wohl weiter sagen würde. Als er
Weitere Kostenlose Bücher