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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Zimmern gestreut und darauf kleine grüne Tannenzweige, und das ganze Dorf hielt Feiertag. Denn der junge Handwerksbursche hielt Hochzeit mit dem Kronenwirtskind, und alle Leute freuten sich; und wer sich nicht freute, weil er ein Neidhammel war, der tat wenigstens so.
    Bald darauf hatte der Kronenwirt auch wieder einmal seine beste Stunde, weil er nämlich rundherum satt war, und saß, die Tabaksdose auf dem Schoß, im Lehnstuhl und schlief. Als er gar nicht wieder erwachte, wollten sie ihn wecken; da war er tot – mausetot. Da war nun der junge Handwerksbursch wirklich Kronenwirt, wie er es im Scherze gesagt, und sonst traf alles ein, wie er es unter der Buche geträumt. Denn sehr bald hatte er auch zwei Kinder, und wahrscheinlich nahm er auch einmal das eine von ihnen auf den Schoß und fütterte es und blies dabei auf den Löffel, und sicher fuhr gleichzeitig der andere Knabe mit der Mohrrübe im Zimmer umher, obwohl der, von dem ich diese Geschichte weiß, mir es nicht gesagt hat und ich es selbst vergessen habe, ihn danach zu fragen. Aber es wird schon so gewesen sein, weil das, was man unter der Traumbuche träumte, stets aufs Haar eintraf.
    Eines Tages nun, es mochten wohl an die vier Jahre seit der Hochzeit verflossen sein, saß der junge Kronenwirt – denn das war er ja jetzt – auch einmal in der Wirtsstube. Da kam seine Frau herein, stellte sich vor ihn hin und sagte: »Denke dir, gestern unter Mittag ist einer von unsern Mähern unter der Traumbuche eingeschlafen und hat nicht daran gedacht. Weißt du, was er geträumt hat? Er hat geträumt, er wäre steinreich. Und wer ist’s? Der alte Kaspar, der so dumm ist, dass er einen dauert, und den wir nur aus Mitleid behalten. Was der wohl mit dem vielen Gelde anfangen wird?«
    Da lachte der Mann und sagte: »Wie kannst du nur an das dumme Zeug glauben und bist sonst eine so kluge Frau? Überlege dir doch selbst, ob ein Baum, und wenn er noch so schön und alt ist, die Zukunft wissen kann.«
    Da sah die Frau ihren Mann mit großen Augen an, schüttelte den Kopf und sprach ernsthaft: »Mann, versündige dich nicht! Über solche Dinge soll man nicht scherzen.«
    Â»Ich scherze nicht, Frau!«, erwiderte der Mann.
    Darauf schwieg die Frau wieder eine Weile, als wenn sie ihn nicht recht verstünde, und sagte dann: »Wozu das nur alles ist! Ich dächte, du hättest alle Ursache, dem alten heiligen Baume dankbar zu sein. Ist nicht alles so eingetroffen, wie du es geträumt?«
    Als sie dies gesagt, machte der Mann das freundlichste Gesicht der Welt und entgegnete: »Gott weiß es, dass ich dankbar bin, Gott und dir. Ja, ein schöner Traum war’s! Ist mir’s doch, als wenn es erst gestern gewesen wäre, so genau erinnere ich mich noch daran. Und doch ist alles noch tausendmal schöner geworden, als ich es geträumt; und du bist auch noch tausendmal lieber und hübscher als die junge Frau, die mir damals im Traume erschienen war.«
    Und die Frau sah ihn wieder mit großen Augen an; darauf fuhr er fort: »Was nun aber den Baum anbelangt und den Traum, Herzensschatz, so denke ich: Wer gern tanzt, dem ist leicht gepfiffen; und: Wie man in den Wald schreit, so schallt es wieder heraus. War es mir die vielen Jahre weh und übel gegangen, so war’s wohl kein Wunder, wenn ich auch einmal von was Liebem träumte.«
    Â»Dass du aber gerade geträumt hast, du würdest mich heiraten!«
    Â»Das hab’ ich nie geträumt! Bloß eine junge Frau sah ich mit zwei Kindern, und sie war lange nicht so hübsch wie du und die Kinder auch nicht.«
    Â»Pfui«, erwiderte die Frau. »Willst du mich verleugnen oder den Baum? Hast du mir nicht am ersten Tag, wo wir uns sahen – es war schon Abend und draußen in der Laube –, hast du mir da nicht gleich gesagt, du hättest geträumt, du würdest mich heiraten und Kronenwirt werden?«
    Da fiel dem Manne zum ersten Male wieder der Scherz ein, den er sich damals mit seiner jetzigen Frau erlaubt hatte, und er sagte: »Es kann nichts helfen, liebe Frau! Ich habe wirklich damals nicht von dir geträumt; und wenn ich es gesagt, so war es nur ein Scherz. Du warst so neugierig; da wollte ich dich necken!«
    Da brach die Frau in heftiges Weinen aus und ging hinaus. Nach einer Weile ging er ihr nach. Sie stand im Hof am Brunnen und weinte immer noch. Er versuchte sie zu trösten, doch

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