Der große deutsche Märchenschatz
begraben, der ein Wunschring sein sollte und keiner war und doch so viel Glück ins Haus gebracht hatte, als ein Mensch sich nur wünschen kann. Denn es ist eine eigene Sache mit dem, was richtig und was falsch ist; und schlecht Ding in guter Hand ist immer noch viel mehr wert als gut Ding in schlechter.
Von der Königin, die keine Pfeffernüsse
backen, und dem König, der nicht
das Brummeisen spielen konnte
Der König von Makronien, der sich schon seit einiger Zeit gerade in seinen besten Jahren befand, war eben aufgestanden und saà unangezogen auf dem Stuhl neben dem Bett. Vor ihm stand sein Hausminister und hielt ihm die Strümpfe hin, von denen der eine ein groÃes Loch an der Ferse hatte. Aber obwohl er den Strumpf mit groÃer Sorgfalt so gedreht hatte, dass der König das Loch nicht merken sollte, und obschon der König sonst mehr auf hübsche Stiefel als auf ganze Strümpfe zu achten pflegte, war das Loch dem königlichen Scharfblick diesmal doch nicht entgangen. Entsetzt nahm er dem Minister den Strumpf aus der Hand, fuhr mit dem Zeigefinger durch das Loch, sodass er bis zum Knöchel herausguckte, und sagte dann seufzend: »Was hilft mirâs, dass ich König bin, wenn ich keine Königin habe! Was meinst du, wenn ich mir eine Frau nähme?«
»Majestät«, antwortete der Minister, »das ist ein sublimer Gedanke; ein Gedanke, der gewiss auch mir ganz untertänigst aufgestiegen wäre, wenn ich nicht gefühlt hätte, dass ihn Euer Majestät jedenfalls heute selbst noch zu äuÃern geruhen würden!«
»Schön!«, erwiderte der König, »aber glaubst du, dass ich so leicht eine Frau finden werde, die für mich passt?«
»Pah!«, sagte der Minister. »Zehn für eine!«
»Vergiss nicht, dass ich groÃe Ansprüche mache. Wenn mir eine Prinzessin gefallen soll, muss sie klug und schön sein! Und dann ist noch ein Punkt, auf den ich ganz besonderes Gewicht lege: Du weiÃt, wie gern ich Pfeffernüsse esse. In meinem ganzen Reiche ist kein einziger Mensch, der sie zu backen versteht, wenigstens richtig zu backen, nicht zu hart und nicht zu weich, sondern gerade knusprig: Sie muss durchaus Pfeffernüsse backen können!«
Als der Minister dies hörte, bekam er einen heftigen Schreck. Doch sammelte er sich rasch wieder und entgegnete: »Ein König wie Euer Majestät werden ohne Zweifel auch eine Prinzessin finden, die Pfeffernüsse zu backen versteht.«
»Nun, dann wollen wir uns zusammen umsehen!«, versetzte der König; und noch an demselben Tage begann er in Begleitung des Ministers die Rundreise zu denjenigen seiner verschiedenen Nachbarn, von denen er wusste, dass sie Prinzessinnen zu vergeben hatten. Aber es fanden sich nur drei Prinzessinnen, die gleichzeitig so schön und klug waren, dass sie dem König gefielen, und von diesen konnte keine Pfeffernüsse backen.
»Pfeffernüsse kann ich freilich nicht backen«, sagte die erste Prinzessin, als der König sie danach fragte, »aber hübsche kleine Mandelkuchen. Bist du damit nicht zufrieden?« â »Nein!«, erwiderte der König, »es müssen partout Pfeffernüsse sein!«
Die zweite Prinzessin, als er die nämliche Frage an sie richtete, schnalzte mit der Zunge und sagte ärgerlich: »Lasst mich mit Euren Albernheiten zufrieden! Prinzessinnen, welche Pfeffernüsse backen können, gibt es nicht.«
Am schlimmsten aber ging es dem König bei der dritten, obwohl sie die schönste und klügste war. Denn sie lieà ihn gar nicht bis zu seiner Frage kommen, sondern ehe er sie noch hatte tun können, fragte sie selbst, ob er auch wohl das Brummeisen zu spielen verstünde? Und als er dies verneinte, gab sie ihm einen Korb und meinte, es tue ihr herzlich leid. Er gefalle ihr sonst ganz gut; aber sie höre das Brummeisen für ihr Leben gern und habe sich vorgenommen, keinen Mann zu nehmen, der es nicht spielen könne.
Da fuhr der König mit dem Minister wieder nach Haus, und als er aus dem Wagen stieg, sagte er recht niedergeschlagen: »Das wäre also nichts gewesen!«
Aber ein König muss durchaus eine Königin haben, und nach längerer Zeit lieà er daher den Minister noch einmal zu sich kommen und eröffnete ihm, er habe es aufgegeben, eine Frau zu finden, die Pfeffernüsse backen könne, und beschlossen, die Prinzessin zu heiraten, welche sie damals
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