Der große deutsche Märchenschatz
ging der Bauer vergnügt nach Hause und zeigte seiner Frau den Ring. »Nun kann es uns gar nicht fehlen, liebe Frau«, sagte er. »Unser Glück ist gemacht. Wir wollen uns nur recht überlegen, was wir uns wünschen wollen.«
Doch die Frau wusste gleich guten Rat. »Was meinst du«, sagte sie, »wenn wir uns noch etwas Acker wünschten? Wir haben gar so wenig. Da reicht so ein Zwickel gerade zwischen unsere Ãcker hinein; den wollen wir uns wünschen.«
»Das wäre der Mühe wert«, erwiderte der Mann. »Wenn wir ein Jahr lang tüchtig arbeiten und etwas Glück haben, könnten wir ihn uns vielleicht kaufen.« Darauf arbeiteten Mann und Frau ein Jahr lang mit aller Anstrengung, und bei der Ernte hatte es noch nie so geschüttet wie dieses Mal, sodass sie den Zwickel kaufen konnten und noch ein Stück Geld übrig blieb. »Siehst du!«, sagte der Mann, »wir haben den Zwickel, und der Wunsch ist immer noch frei.«
Da meinte die Frau, es wäre wohl gut, wenn sie sich noch eine Kuh wünschten und ein Pferd dazu. »Frau«, entgegnete abermals der Mann, indem er mit dem übrig gebliebenen Gelde in der Hosentasche klapperte, »was wollen wir wegen solch einer Lumperei unsern Wunsch vergeben. Die Kuh und das Pferd kriegen wir auch so.«
Und richtig, nach abermals einem Jahr waren die Kuh und das Pferd reichlich verdient. Da rieb sich der Mann vergnügt die Hände und sagte: »Wieder ein Jahr den Wunsch gespart und doch alles bekommen, was man sich wünschte. Was wir für ein Glück haben!« Doch die Frau redete ihrem Manne ernsthaft zu, endlich einmal an den Wunsch zu gehen.
»Ich kenne dich gar nicht wieder«, versetzte sie ärgerlich. »Früher hast du immer geklagt und gebarmt und dir alles Mögliche gewünscht, und jetzt, wo duâs haben kannst, wie duâs willst, plagst und schindest du dich, bist mit allem zufrieden und lässt die schönsten Jahre vergehen. König, Kaiser, Graf, ein groÃer, dicker Bauer könntest du sein, alle Truhen voll Geld haben â und kannst dich nicht entschlieÃen, was du wählen willst.«
»Lass doch dein ewiges Drängen und Treiben«, erwiderte der Bauer. »Wir sind beide noch jung, und das Leben ist lang.
Ein
Wunsch ist nur in dem Ringe, und der ist bald vertan. Wer weiÃ, was uns noch einmal zustöÃt, wo wir den Ring brauchen. Fehlt es uns denn an etwas? Sind wir nicht, seit wir den Ring haben, schon so heraufgekommen, dass sich alle Welt wundert? Also sei verständig. Du kannst dir ja mittlerweile immer überlegen, was wir uns wünschen könnten.«
Damit hatte die Sache vorläufig ein Ende. Und es war wirklich so, als wenn mit dem Ringe der volle Segen ins Haus gekommen wäre, denn Scheuern und Kammern wurden von Jahr zu Jahr voller und voller, und nach einer längeren Reihe von Jahren war aus dem kleinen, armen Bauern ein groÃer, dicker Bauer geworden, der den Tag über mit den Knechten schaffte und arbeitete, als wollte er die ganze Welt verdienen, nach dem Vesper aber behäbig und zufrieden vor der Haustüre saà und sich von den Leuten guten Abend wünschen lieÃ.
So verging Jahr um Jahr. Dann und wann, wenn sie ganz allein waren und niemand es hörte, erinnerte zwar die Frau ihren Mann immer noch an den Ring und machte ihm allerhand Vorschläge. Da er aber jedes Mal erwiderte, es habe noch vollauf Zeit, und das Beste falle einem stets zuletzt ein, so tat sie es immer seltener, und zuletzt kam es kaum noch vor, dass auch nur von dem Ring gesprochen wurde. Zwar drehte der Bauer selbst den Ring täglich wohl zwanzigmal am Finger um und besah ihn sich, aber er hütete sich, einen Wunsch dabei auszusprechen.
Und dreiÃig und vierzig Jahre vergingen, und der Bauer und seine Frau waren alt und schneeweià geworden, der Wunsch aber war immer noch nicht getan. Da erwies ihnen Gott eine Gnade und lieà sie beide in einer Nacht selig sterben.
Kinder und Kindeskinder standen um ihre beiden Särge und weinten, und als eines von ihnen den Ring abziehen und aufheben wollte, sagte der älteste Sohn:
»Lass den Vater seinen Ring mit ins Grab nehmen. Er hat sein Lebtag seine Heimlichkeit mit ihm gehabt. Es ist wohl ein liebes Andenken. Und die Mutter besah sich den Ring auch so oft; am Ende hat sie ihn dem Vater in ihren jungen Tagen geschenkt.«
So wurde denn der alte Bauer mit dem Ringe
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