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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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er: Du kannst erst einmal trinken, ehe du in den Berg hineingehst. Er bückte sich nieder zu dem klaren Wasser und wollte davon schöpfen mit seinem Trinkhorn, da rief eine Stimme: »Trink nicht oder es kostet dich dein Leben!« Er hielt erschrocken ein und sah sich um. Weil aber niemand da war und der Durst ihn immer mehr quälte, so schöpfte er dennoch und trank von dem klaren Wasser. Da fiel er mit einem Male um und schlief ein, als wenn er nimmer erwachen wollte. Als er nun so dalag, stand mit einem Male die schöne Schwanenjungfer neben ihm. Sie war aber gar zornig über seinen großen Ungehorsam, zog seinen Hirschfänger heraus und wollte ihn totstechen. Sie hatte ihm die kalte Spitze schon aufs Herz gesetzt – da hielt sie wieder ein, denn Mitleid und Liebe kamen über sie, und sie dachte in ihrem Sinne: Er kann mich doch vielleicht noch erlösen. Also verschwand sie wieder, und er war für dieses Mal gerettet. Doch ehe die Jungfrau ihn verließ, hatte sie mit dem Finger auf die Scheide seines Hirschfängers etwas geschrieben, und als er erwachte, las er diese Worte:
    Â»Hättest du nicht von dem Wasser getrunken,
    So hättest du mich erlösen können,
    Jetzt musst du mich suchen in der finstern Welt.«
    Von dem gläsernen Berg aber war weit und breit nichts mehr zu sehen und zu hören. Da stand er nun und wünschte sich das Leben nicht mehr und verfluchte seinen Leichtsinn ein Mal über das andere Mal. Doch was wollte er anderes tun, als die finstere Welt suchen? Er machte sich frisch auf den Weg und wollte nicht ruhen noch rasten, bis er die finstere Welt gefunden hätte.
    Noch länger als das erste Mal musste er herumwandern, bergab und bergauf, da kam er endlich wieder in einen großen dunklen Wald. Als er drei lange Tage darin umhergegangen war, fand er wieder, wie das erste Mal, eine einsame Waldmühle mit einem Mann darinnen, der sprach, er sei der Müller von der finstern Welt und hätte nun seit siebenhundert Jahren keinen Menschen in diesem Walde zu sehen bekommen. »Wenn du der Müller von der finstern Welt bist«, sprach der Jäger, »so musst du mir auch sagen können, wie ich hineingelangen mag.« – »In die finstere Welt gelangst du nimmermehr«, erwiderte der Müller, doch da er gar zu dringend bat, versprach er dem Jäger endlich, ihn hineinzuschaffen. »Morgen kommt der Vogel Greif«, sprach er »und holt ein Fass voll Mehl ab für die finstere Welt, der muss dich mitnehmen.« Da blieb der Jägerbursch in der Mühle über Nacht, des andern Tages aber hieß ihn der Müller in ein großes Fass voll Mehl kriechen und das andere abwarten.
    Nicht lange, so rauschte es in der Luft, der Vogel Greif kam herangeflogen, packte das Fass mit den Klauen und führte es mitsamt dem Jäger fort. Als er eine gute Zeit lang geflogen war, hielt er an und stellte seine Last nieder, denn er war nun angekommen in der finstern Welt. Der Jäger merkte, dass es nicht mehr weiterging, schnitt sich mit seinem Hirschfänger ein Loch in die Fasswand und kroch vorsichtig heraus. Nun war es um ihn herum so dunkel wie in einem Sack, in der Nähe aber hörte er das Rauschen eines Wassers; da kroch er auf Händen und Füßen dem Geräusch nach und fand endlich eine Brücke, die über das rauschende Wasser führte, und als er auf der andern Seite war, sah er in der Ferne ein Licht und ging darauf hinein.
    Er hatte weit zu gehen, bis er endlich dem Licht so nahe war, dass er sehen konnte, was es eigentlich war; er gelangte nämlich in ein dunkles Tal, worinnen zwei Frauen herumwandelten, von denen die eine das Licht in der Hand trug, und als er nahe zu ihnen herankam, so war es wahrhaftig die Schwanenprinzessin, die ging mit einer Kammerjungfer umher und las dürres Reisig zusammen.
    Als sie den Jägerburschen erblickte, hieß sie ihn freudig willkommen und bat ihn, mit ihr zu gehen, so er den Mut und Willen hätte, sie wieder zu erlösen aus der finsteren Welt, in die sie wegen seines Ungehorsams wäre verwünscht worden. Das versprach er gern und ließ sich von ihr führen bis in ihre Schlafkammer, wo sie ihn unter das Bett kriechen und ruhig liegenbleiben hieß. »Ich muss jetzt zur Musik«, sprach sie, »aber um elf Uhr komme ich wieder und lege mich schlafen; dann musst du hervorkommen und dich quer über mich hinlegen und nicht von der Stelle weichen,

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