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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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aus dem Turme, und damit war schon viel gewonnen. Als er aber nach der Königstochter fragte, hieß es, sie sei auf Reisen, niemand wisse wohin, und sie komme vor Monatsfrist nicht zurück. Er beschloss ihr nachzureisen; wenn er sie auch nicht finde, so sei es doch anderswo besser und sicherer für ihn als in der Hauptstadt, und er könne unterdessen auf Mittel denken, ihre Liebe zu gewinnen.
    Also zog er aus der Hauptstadt weg und kam in eine andere große Stadt, wo er in einem vornehmen Wirtshaus einkehrte. Da dachte er Tag und Nacht nach, was er machen solle, aber was er auch herausbrachte, nichts schien ihm so recht sicher, und er dachte so viel, dass er von lauter Denken ganz mager wurde, denn er war gar nicht daran gewohnt und verstand viel besser zu kommandieren: Gewehr an! Schultert das Gewehr und wie das alles heißt.
    Der Wirt war ein gar freundlicher und guter, dabei auch ein grundgescheiter Mann, und er sah mit Schmerzen, wie sein Gast immer kränker und bleicher wurde. Oft versuchte er es, den Soldaten zum Bekenntnis zu bringen, was ihn drücke, aber der war nicht so leicht zum Sprechen zu bewegen. Endlich aber platzte er dennoch los und vertraute dem Wirt seine ganze Geschichte. »Wenn es nichts weiter ist«, sprach der Wirt, »dann ist dir leicht zu helfen; schaffe mir nur zwei Tönnlein Gold; ich verlange für mich keinen Deut davon, denn ich bin reich genug, ich muss sie aber haben, um die nötigsten Auslagen für dich bestreiten zu können.« Da war dem Soldaten leicht ums Herz; er schrieb seinem Bruder ins Gefängnis, dass er ihm sogleich die zwei Tönnlein Gold in das Wirtshaus sende, und es währte keine acht Tage, da kamen sie schon an.
    Nun ließ der Wirt zwei sehr geschickte Goldschmiede kommen, die mussten einen großen großen Hirsch von Gold machen, der bekam Augen von dunklem Glas, fein zum Horchen aufgerichtete Ohren und war innen hohl; auf dem Rücken war aber zwischen den dichten goldnen Haaren eine Türe so fein angebracht, dass man sie unmöglich sehen konnte. Dann musste auch ein Glockenmeister herbei; der machte aus lauter kleinen und großen silbernen Glöckchen ein Glockenspiel, welches so wunderbar schöne Lieder spielte, dass es das größte Meisterstück war, welches man noch gehört hatte. Das wurde in dem Kopf des goldnen Hirsches angebracht und war ein Schnürchen daran, welches in das Innere lief; zog man einmal daran, so fing das Werk an zu spielen, zog man aber zweimal dran, so hörte es auf. Als der Hirsch fertig war, lief die ganze Stadt herbei, ihn zu sehn. Der Wirt steckte den Soldaten aber in den Hirsch hinein und schloss das Türchen. Wenn nun der Wirt sagte: »Goldhirsch, spiel dein Stücklein«, so zog der Soldat einmal am Schnürchen, sagte der Wirt aber: »Goldhirsch, es ist genug«, dann zog er zweimal daran. So spielte der Hirsch, sooft der Wirt es befahl, und keiner konnte begreifen, wie das zuging.
    Wer war jetzt glücklicher als der Soldat. Schnell ließ er seinen Vater kommen, gab ihm die nötigen Weisungen, und nachdem er dem guten Wirte noch von Herzen gedankt hatte, zogen sie ab geraden Weges zur Hauptstadt, wo die Prinzessin unterdessen wieder angekommen war. Dort war der Ruf von dem wunderbaren Goldhirsch schon weit verbreitet und jeder wollte das große Kunstwerk sehen. Des Soldaten Vater aber – denn der Soldat selbst war in dem Hirsch versteckt – sprach, es dürfe keiner den Goldhirsch sehen, bevor der König ihn gesehen habe, und er fuhr mit dem prächtigen Tier in den Schlosshof hinein. Dort nahm er die Decken ab, welche es verhüllten, und da leuchtete der Hirsch so herrlich in der Sonne, dass man den Glanz kaum aushalten konnte. Der König kam mit seiner Tochter herbei, und beide hatten nicht Worte genug, ihre Verwunderung auszusprechen über das stolze Tier und wie alles daran so fein gearbeitet war. Als der Vater des Soldaten aber erst rief: »Goldhirsch, spiel dein Stücklein«, und die schönen Lieder erklangen, da konnte sich die Königstochter vor Entzücken nicht länger halten und rief: »Vater, ich will den Hirsch haben, koste er, was es wolle.« Der König hatte seine Tochter allzu lieb, als dass er ihr etwas hätte abschlagen können, darum fragte er den Vater des Soldaten, was der Hirsch koste, und ließ die Summe gleich bezahlen und noch mehr dazu, denn auch er hatte große Freude an dem

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