Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
prächtigen Goldhirsch. Der wurde jetzt ins Schloss getragen, und zwar in das Schlafzimmer der Königstochter. Dort musste der Hirsch den ganzen Abend spielen bis spät in die Nacht hinein, und die Königstochter wurde gar nicht müde zuzuhören.
    Als alles im Schlosse zur Ruhe war und die Königstochter auch, da öffnete der Soldat das Türchen, stieg aus dem Hirsch und trat vor das Lager der schönen Königstochter. Der Mond schien hell in das Zimmer herein, und da lag sie so schön und holdselig da; leise beugte er sich über sie und gab ihr einen Kuss. Sie schrak vom Schlafe auf und schaute empor; als sie den schönen fremden Mann an ihrem Lager sah, stieß sie einen lauten Angstschrei aus und hüllte den Kopf in die Decke. Rasch sprang der Soldat in den Hirsch und schloss leise das Türchen hinter sich zu. Kaum war er wieder in seinem Versteck, als die Kammerfrauen und endlich selbst der König hereinstürzten und fragten, was der Prinzessin fehle? Da erzählte sie zitternd und bebend alles. Man durchsuchte das Zimmer in allen Ecken, durchsuchte die Gänge und das ganze Schloss, aber niemand war zu finden, und das ist leicht begreiflich. Sprach der König zu der Prinzessin, sie habe gewiss geträumt und solle sich nur beruhigen, es könne niemand in ihr Zimmer hinein. Das tat sie auch und schlief bald wieder fest wie vorher.
    Als der Soldat dies merkte, öffnete er wiederum das Türchen, trat zu ihrem Lager und küsste sie von Neuem auf ihre schöne weiße Stirn. Erschrocken fuhr sie auf, und da stand der stolze schöne Mann wieder vor ihr und hatte die Hände flehend zu ihr gefaltet; sie schrie noch lauter wie das erste Mal und verbarg sich wieder unter der Decke. Ehe man eine Hand umdreht, war der Soldat verschwunden. Das ganze Schloss lief zusammen, der König kam hinzu, man fragte, man suchte, aber da war keine Spur von einem fremden Manne zu finden. Nun wurde der König böse, denn er war nicht gern im Schlafe gestört; er verwies der Prinzessin mit harten Worten ihr grundloses Geschrei und drohte, ihr den Hirsch wegzunehmen, wenn sie noch einmal schreie. Da musste sie sich wohl zufriedengeben.
    Sie beschloss nun, nicht mehr einzuschlafen, denn sie wollte wissen, woher der schöne Mann komme, und stellte sich nur, als ob sie schliefe. Es dauerte nicht lange, so hörte sie ein leises Knarren an dem Goldhirsch, und gleich darauf stand der Soldat vor ihr und küsste sie auf die Stirn. Sie schaute ihn groß an, aber da stürzte er zu ihren Füßen und sprach ihr so viel von seiner Liebe und wie er sein Leben für sie gewagt habe, dass die Prinzessin ihm hold wurde und versprach, ihn nicht zu verraten.
    Seitdem lebte er herrlich und in Freuden in dem Zimmer der Königstochter; nur wenn manchmal der alte König kam, um den Goldhirsch spielen zu hören, musste er wieder in sein Versteck hinein.
    So ging es fort bis zum Ende des Jahres, welches der König ihm festgesetzt hatte, die Liebe der Prinzessin zu erwerben. Da sprach er, jetzt müsse er in sein Gefängnis zurück und nahm von der Königstochter Abschied. Als diese ihn um seinen Namen fragte, sagte er: »Ich heiße Gold-Macht-alles-Aus.« – »Das ist ein sonderbarer Name«, sprach die Königstochter, »aber wenn du ihn einmal hast, ist es nicht zu ändern.«
    Also ging er in den Turm und erlöste seinen Bruder. Kaum war er acht Tage dahin zurückgekehrt, als die Königstochter eines schönen Knäbleins genas; dies hielt sie aber gar heimlich, sodass kein Mensch im Schloss davon wusste außer ihrer Kammerfrau. Es wurde auch heimlich getauft und bekam den Namen Goldhirsch.
    Am Tage, nachdem das Jahr abgelaufen war, ließ der König den Soldaten kommen und sprach: »Ich habe dir nun ein ganzes Jahr lang Gold gegeben, soviel du gewollt hast; weißt du, dass du jetzt sterben musst, weil du die Liebe der Prinzessin nicht gewonnen hast?« – »Ach, das weiß ich wohl, aber ich möchte sie doch vorher noch einmal sehen«, sprach der Soldat. »Schenkt mir die Gnade, Herr König, und führt mich zu ihr.« – »Das will ich dir gewähren«, sprach der König.
    Als sie die Türe des Zimmers der Prinzessin öffneten, stand sie da und trug ihr wunderschönes Kind auf dem Arm. Da fragte der König erstaunt: »Wem gehört das Kind?« Antwortete sie: »Es ist mein Kind und dem

Weitere Kostenlose Bücher