Der große deutsche Märchenschatz
Frau in dem Waldhäuschen trug heute noch viel köstlicheres Essen auf als am Tage vorher, und die guten Weine aller Art standen die Hülle und Fülle auf dem Tische. Zum Diener aber sprach sie heimlich, er habe seine Sache gut gemacht und sein Herr gehe einem groÃen Glück entgegen.
Als der Jüngling am folgenden Morgen wieder in den Wald sprang, sprach die Frau zu dem Diener: »Gehe und folge deinem Herrn und lass ihn nur nicht schieÃen, wenn er heute drei schwarze Hirsche auf dem Waldplatz sieht; heute ist der gefährlichste Tag und sein Leben hängt daran; verrate mich aber nicht, so dir dein Leben lieb ist.« Der Diener versprach ihr es willig und eilte seinem Herrn nach. Aber heute war es ihm so traurig zumute, er wusste selbst nicht wie und warum; der Wald schien ihm nicht mehr so schön und die Vöglein nicht mehr so lustig und das Bächlein nicht mehr so munter. Er versuchte wohl seinen Herrn einen andern Weg zu führen, aber der Jüngling wollte nicht, er hatte die drei Hirsche im Kopf und drohte dem treuen Diener: »Heute rate ich dir aber gut, stoÃe mich nicht, sonst geht es dir schlimm.« Also kamen sie an die Waldwiese, und kaum standen sie da, da brachen drei schwarze Hirsche mit mächtigem Geweih aus den Büschen und sprangen quer über die Wiese daher. Der Jüngling schlug an, da gab ihm der treue Diener einen Ruck, die Kugel sauste in den Wald und die drei Hirsche entsprangen. »Das sollst du mir büÃen«, schrie der Jüngling und lud von Neuem. Wie sehr der treue Diener auch jammerte und um sein Leben bat, alles half nichts, der Jüngling schoss ihn in seinem Zorne nieder.
Als die blasse Leiche aber so vor ihm lag, da verrauchte der Zorn bald und die Reue kam. Vergebens rief er den treuen Diener mit hundert schönen Namen, er weinte und rang die Hände, er war tot und blieb tot. Da stürzte er wild und wie ein wahnsinniger Mann durch den Wald zurück zu dem Waldhäuschen, doch es war öd und einsam, die freundliche Frau war verschwunden. Er sattelte im Stall eins seiner Pferde, sprang darauf und ritt verzweiflungsvoll weg, wohin, das wusste er selber nicht.
Also war er in tiefster Betrübnis Stunde an Stunde dahingesprengt auf wilden Waldwegen. Die Sonne stand im Mittag und sie ging unter und der Wald wurde immer dichter; weder Dorf noch Haus war zu sehen, Hunger und noch mehr Durst quälten ihn. Die ganze Nacht ritt er fort, bis an den Wipfeln der Bäume der Schein des Morgenrots erstrahlte. Da öffnete sich der Wald und er kam auf eine groÃe Wiese, darauf sprang eine klare frische Quelle. Er bückte sich zu ihr, um seinen brennenden Gaumen zu letzen, und trank lange Züge. Als er sich aber wieder erhob, da siehe standen drei wunderschöne Jungfrauen vor ihm.
Er zog seinen Hut zum GruÃe ab, doch sie schauten ihn finster und zornig an und sprachen: »Du hast in deinem bösen Zorne dein Glück verscherzt und unsere Erlösung auf lange Zeit verschoben. Jetzt wärest du im goldnen Königreich, wenn du gutem Rate und freundlichen Bitten gefolgt hättest, nun aber musst du noch lange wandern und viel kämpfen, bis du dahin kommen kannst.« Da stürzte der Jüngling vor ihnen auf die Knie und rief voll Reue: »Ich will gern alles dulden und ertragen, wenn ich nur meine Tat wiedergutmachen kann, sagt mir nur, was ich tun soll.« â »Das ist uns nicht gegeben«, sprachen die Jungfrauen, »doch wollen wir dir beistehen, soviel uns erlaubt ist.«
Da gab die Ãlteste ihm ein Schwert, dem konnte nichts widerstehen und wer von ihm getroffen wurde, der sank tot zu Boden. Die zweite gab ihm eine Börse, die blieb immer mit blanken Goldstücken gefüllt, wie viel man auch herausnehmen mochte. Die Jungfrau aber, welche die Schönste war und zu der er sogleich in Liebe entbrannte, gab ihm einen goldnen Ring, dass er ihrer nicht vergesse. Dann verschwanden sie.
Jetzt fiel dem Jüngling wie ein Stein vom Herzen, er fasste sich einen frischen Mut und dachte an weiter nichts als an das goldne Königreich und die drei Jungfrauen, besonders an die jüngste. Er schwang sich auf sein Pferd und ritt ruhigern Sinnes in den Wald hinein. Noch war er keine hundert Schritte weit, als er ein schreckliches Zischen und jämmerliches Brüllen in dem Gebüsch hörte. Er sprang darauf zu und da war es ein scheuÃlicher Lindwurm, der seinen langen Schweif um einen Löwen
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