Der große deutsche Märchenschatz
gekommen sei.
Nun hatten sie eine groÃe Freude, dass sie auf einmal reich waren und nicht mehr im Wald die schwere Arbeit zu tun brauchten. Die Frau hätte aber doch gerne gewusst, wie viel sie besäÃen. Da schickte sie ihre Tochter Marianne zu den reichen Leuten, ihren Schwägern, ein Scheffelmaà zu borgen: Damit sollte das Gold gemessen werden.
Die Schwägerin wunderte sich, was sie wohl messen wollten. Sie hätten ja nicht das liebe Brot zu Hause.
Aber Marianne versetzte: »Ihr habt doch wohl selbst gesehen, dass mein Vater soeben mit zwei Eseln nach Hause getrieben kam. Im nächsten Ort ist Markt, wie ihr wisst. Da hat er Linsen eingekauft für den Winter. Was übrig bleibt, wollen wir im Frühjahr im Garten säen. Das Geld haben wir uns lange zusammengespart.«
Da lieh die Schwägerin ihr den Scheffel, schmierte aber aus Vorwitz Talg hinein. Vielleicht bleibe etwas hangen, woran sie sehen könnte, was sie gemessen hätten.
Nach einiger Zeit schickte sie eine Magd hin, den Scheffel zurückzufordern, denn die Neugier lieà ihr keine Ruhe; auch war ihr bange, sie bekäm ihr Gemäà nicht wieder. Als der Scheffel wiedergebracht wird, war richtig etwas am Boden hangen geblieben. Aber Linsen nicht, es war ein blankes Goldstück.
Sogleich läuft sie zu ihrem Mann und sagt: »Was meinst du wohl, was sie gemessen hätten? Gold haben sie gemessen. Sieh nur selbst! Wie kommen sie daran? Das geht nicht mit rechten Dingen zu.«
Der Gastwirt schüttelt den Kopf und sagt: »Da ist mir selbst zu rund. Ich muss es aber wissen, und das noch heute.«
Da geht er gleich hinüber zu seinem Bruder, zeigt ihm das Goldstück und sagt, nun müsse er ihm bekennen, wie er daran käme, sonst zeige er es den Gerichten an, denn er dulde in seinem Hause keinen Unterschleif.
Der Holzhacker wollte erst Ausflüchte machen. Aber der Gastwirt setzte ihm so zu, dass er ihm endlich alles erzählen musste. Er zeigte ihm auch den Berg und lehrte ihn die Worte, die er sprechen müsste, damit der Berg auf- und zuginge.
Da fuhr der Reiche gleich des andern Tages mit zwölf Pferden vor den Berg und sagte: »Kleesam, tu dich auf!« Und der Berg tat sich auf. Da ging er mit vierundzwanzig groÃen Säcken hinunter, füllte sie alle mit Goldstücken und schleppte einen nach dem andern die Treppe herauf bis an die Türe. An der Türe sagte er: »Türe, tu dich auf!« Die Türe blieb aber zu. Er hatte das rechte Wort vergessen und konnte sich nicht mehr darauf besinnen. Vergebens nannte er alles daher, was ihm einfiel: Die Türe wollte nicht aufgehen.
Da kamen zufällig die Räuber daher und sahen die zwölf Pferde vor dem Berg stehen. Da sagen sie zueinander: »Was soll denn das bedeuten? Gewiss ist unsere Schatzkammer verraten.« Sogleich gehen sie an den Berg und hören inwendig jemanden rufen. Da befiehlt der Hauptmann, den Ausgang zu besetzen und, was herauskomme, niederzumachen. Wie er nun ruft: »Kleesam, tu dich auf!«, stürzt der Gastwirt hervor, und gleich wird ihm der Kopf abgeschlagen.
Die Räuber trugen dann die Säcke wieder hinab in das Gewölbe, lieÃen den Berg sich schlieÃen und verscharrten den Leichnam unter dem Eichbaum in hohem Laub. Die Pferde lieÃen sie laufen und gingen ihres Weges in den Wald.
Als nun am Abend der Gastwirt nicht nach Hause kommt, geht die Frau in der Nacht zu ihrem Schwager und klagt ihm ihr Leid: Ihr Mann wäre schon seit dem Morgen fort und noch immer nicht zurück. Die Pferde wären aber ledig in den Stall gelaufen. Er sollte doch einmal im Walde nachsehen, ob sich keine Spur von ihm fände.
Da ahnt ihm gleich nichts Gutes, und er verspricht, wenn er bei Tagesanbruch nicht daheim wäre, im Wald nach ihm zu suchen.
Als er nun am Morgen nicht gekommen war, nimmt er seinen Esel mit einem groÃen Sack und treibt in den Wald vor den Berg. Da ruft er: »Kleesam, tu dich auf!«, worauf der Berg aufgeht. Da läuft er die Stiege hinab ins Gewölbe und findet niemand, sieht aber die vierundzwanzig Säcke seines Bruders gefüllt dastehen. Er läuft wieder herauf, lässt den Berg sich schlieÃen und sucht nach und findet ihn endlich enthauptet unter dem Laube. Da steckt er den Rumpf mit dem Haupte in den Sack, lädt ihn auf den Esel, legt noch Reisig darauf und treibt heim.
Wie er nach Hause kommt, gibt er der Frau Auskunft, tröstet sie, so
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