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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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auch alle Kräfte zusammennahm, fünf Minuten vor elf Uhr lag er unter der Linde und war fest eingeschlafen.
    Es dauerte nicht lange, so kam die Prinzessin angefahren, diesmal in einem Wagen, der mit vier wunderschönen Grauschimmeln bespannt war. »Johann, Johann!«, schrie sie ängstlich, denn sie fürchtete schon, dass er wieder eingeschlafen wäre; und wirklich, Johann antwortete nicht, sondern lag unter dem Baume und schnarchte wie ein Bär. Da zog die Prinzessin ein drittes Tuch aus der Tasche und legte ihm einen neuen Zettel auf den Schoß, darauf stand: »Leb wohl für immer, Johann! Du hast dein Glück verscherzt. Du kannst nicht mehr zu mir nach Siebenbürgen und ich nicht zu dir, denn uns trennt der himmelhohe Glasberg.« Dann stieg sie in das Gefährt hinein und fort war sie.
    Als Johann erwachte, solltet ihr ihn einmal fluchen und toben sehen! Er schlug sich vor die Stirne und raufte sich die Haare; endlich wurde er wieder vernünftig und dachte nach, wie er die Sache zum Guten kehren könne. »Ich hab’s gefunden!«, rief er erfreut; »konnte die Prinzessin zu mir aus Siebenbürgen über den Glasberg kommen, so werde ich auch zu ihr dorthin gelangen.« Sprach’s und machte sich auf den Weg zu seiner Braut nach dem Glasberg.
    Als er so durch die Länder zog, kam er eines Abends in ein schönes, großes Haus, welches einsam zwischen den Bäumen eines dichten Waldes stand. Er trat hinein und fand darinnen einen reich gedeckten Tisch, sonst aber niemand im Hause. Nur ein Mädchen saß am Ofen. Das war sehr erschrocken über den Besuch und rief ihm zu: »Geh schnell wieder fort, denn dies Haus gehört den Räubern. In wenig Augenblicken werden sie hier sein; und wenn sie dich finden, bist du des Todes.« Johann antwortete: »Gib mir zu essen und versteck mich dann irgendwo im Hause. Was soll ich draußen anfangen; ich muss verhungern oder werde von den wilden Tieren gefressen. Darum will ich lieber hier abwarten, ob ich der Gefahr entrinnen kann.«
    Da er standhaft war, gab ihm das Mädchen Speise und Trank und versteckte ihn sodann unter einer großen Kiste. Und es war wirklich die höchste Zeit gewesen; denn gleich darauf traten die Räuber herein, setzten sich zum Mahle nieder und aßen und tranken nach Herzenslust. Nach dem Schmause unterhielten sie sich über den Fang, welchen sie den Tag über gemacht hatten; doch schickten sie das Mädchen vorher zu Bett, um ungestört verhandeln zu können.
    Nachdem ein jeder seine Schandtaten aufgezählt hatte, erhob sich zum Schluss einer und sprach: »Mir ist denn doch der beste Fang gelungen! Ich habe heute einem Manne ein Paar Stiefel gestohlen, in welchen man mit jedem Schritte sieben Meilen zurücklegt, ferner einen Mantel, der seinen Träger unsichtbar macht, und endlich einen Geldbeutel, der, so oft man auch hineingreift, nie leer wird.«
    Wie die andern das hörten, wurden sie hoch erfreut und riefen: »Jetzt hat’s keine Not mehr; nun wird es uns nie wieder an etwas fehlen, und morgen soll’s das letzte Mal sein, dass wir auf Raub ausgehen. Wo bleiben wir aber mit den drei Wunschdingen?« Der eine riet, die Sachen in die Kiste zu legen, und Johann überlief es eiskalt, als er das hörte. Sogleich sprach jedoch ein anderer: »Nicht doch, das Mädchen könnte sie morgen darin finden und sich damit aus dem Staube machen. Wir wollen die Wunschdinge nur vor der Haustüre unter dem Baume vergraben.« Und so geschah es auch. Die Räuber nahmen Hacke und Spaten, eilten hinaus und vergruben die Stiefel, den Mantel und den Geldbeutel unter dem Baume, kamen dann wieder hinein und legten sich schlafen.
    Am andern Morgen vor Sonnenaufgang verließen sie das Haus wieder, um das letzte Mal ihrem alten Handwerk obzuliegen. Diesen Augenblick hatte Johann mit Sehnsucht erwartet. Im Hui war er aus der Kiste, hatte Spaten und Hacke ergriffen, kratzte die frisch gegrabene Erde auf, und in kurzer Zeit waren die Wunschdinge in seinen Händen.
    Nun ging er zu dem Mädchen und sagte ihr alles, was ihm den vergangenen Abend zugestoßen war und dass er sie aus Dankbarkeit mit sich aus dem Räuberhause nehmen wolle. Das arme Ding war hocherfreut, dass es von den bösen Leuten befreit werden solle; der Soldat zog die Stiefel an, steckte den Geldbeutel in die Tasche, warf den Mantel um sich und das Mädchen, und schon nach wenig

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