Der große deutsche Märchenschatz
Schritten war er viele, viele Meilen weit von den gottlosen Räubern entfernt.
Es dauerte auch gar nicht lange, so kam er an den Fuà des Glasberges. Hier gab er dem Mädchen aus dem wunderbaren Geldbeutel so viel Geld, als sie nur fortzutragen vermochte, und als sie sich entfernt hatte, versuchte er, den Berg zu übersteigen. Aber wenn ihn auch ein Schritt sieben Meilen weit trug, so war er doch nicht imstande, den Glasberg zu überschreiten. Derselbe war viel zu hoch, auch war er so glatt, dass er nirgends für seinen Fuà einen Haltepunkt finden konnte.
So wanderte er denn trostlos am Rande des Berges entlang und rund um ihn herum, aber es half ihm zu nichts. Nirgends war der Glasberg zu ersteigen, und nur über ihn konnte er nach Siebenbürgen gelangen.
Als es Abend geworden war, kehrte er in einem Wirtshause ein, um dort zu übernachten. Der Gastwirt war ein kluger Mann und ihm gehorchten alle Tiere des Waldes. Als ihn Johann fragte, wie er wohl nach Siebenbürgen kommen könne, pfiff der Wirt auf einer Pfeife; und sogleich kamen alle Tiere des Waldes herbeigelaufen und fragten ihn, was er befehle. »Wie ist es möglich, nach Siebenbürgen zu gelangen?«, sprach der Gastwirt. Aber keins von den Tieren wusste ihm darauf Antwort zu geben. Da sagte der Wirt: »Hundert Meilen von mir wohnt mein Bruder, der ist auch Gastwirt und herrscht über alle Fische; vielleicht kann der dir helfen.«
Den andern Morgen bezahlte Johann aus seinem Beutel, was er schuldig war, und ging zu dem Bruder des Wirtes. Als er dort angekommen war, erzählte er ihm, weshalb er gekommen sei; und sogleich pfiff der Wirt auf seiner Pfeife, und alle Fische kamen zu ihm geschwommen und fragten nach seinem Begehr. »Weià keiner von euch, wie man in das Land Siebenbürgen gelangt?« â »Nein«, sagten die Fische, »das wissen wir nicht.« Da sprach der Wirt: »Dann kann ich dir nicht helfen; aber hundert Meilen von hier wohnt mein Schwager, der gebietet über alle Vögel. Vielleicht kann der dir bessere Auskunft geben.«
Johann ging nun zu dem Schwager und klagte dem seine Not. Da pfiff auch dieser und lockte dadurch alle Vögel der ganzen Welt herbei. »Kennt keiner den Weg nach Siebenbürgen?«, fragte er. »Nein«, sagten alle Vögel. »Seid ihr denn aber auch vollzählig erschienen?«, fragte der Wirt weiter. »Ja«, antworteten die Vögel, »wir sind alle hier, nur der Adebar fehlt noch.« Da pfiff der Wirt noch einmal, und jetzt kam auch der Storch herbeigeflogen. »WeiÃt du den Weg nach Siebenbürgen«, fragte der Wirt wieder, »und warum bist du so spät erschienen?« â »O«, antwortete der Storch, »wie werde ich den Weg nach Siebenbürgen nicht kennen, komme ich doch eben erst daher geflogen. Dort will die Prinzessin Hochzeit feiern, und ich habe zugesehen.« â »Das ist gut«, sprach der Wirt, »dass du das Land kennst. Ist es dir denn nicht möglich, diesen Mann über den Glasberg zu bringen?« â »Das ist nicht möglich«, entgegnete der Storch, »ich müsste ihn gerade herübertragen. Dazu ist er mir aber zu schwer. Doch ein Stückchen will ich ihn schon hinaufbringen.« Johann war damit einverstanden. Er verabschiedete sich von seinem Wirt, der Storch packte ihn mit seinen FüÃen und flog mit ihm dem Glasberge zu. Nach einer kurzen Weile lieà er sich jedoch nieder; und als Johann näher zusah, merkte er, dass er sich auf der halben Höhe des Berges befand. Viel half ihm das aber nicht; denn kaum war der Storch wieder verschwunden, so kam er auf dem spiegelglatten Glase ins Rutschen, und in wenigen Augenblicken befand er sich wieder am FuÃe des Berges. Schon wollte er voller Verzweiflung an dem Gelingen seines Vorhabens verzweifeln, als er nicht fern von sich lauten Lärm hörte. Er ging der Richtung nach und sah drei Jungen, welche sich um einen Schimmel prügelten.
»Was macht ihr da?«, rief er ihnen zu. »Wie kommst du denn hierher?«, schrien alle drei mit einem Munde. »Hundert Jahre prügeln wir uns nun schon, ohne dass uns je ein Mensch gestört hätte. Wir sind nämlich drei Brüder; und als der Vater starb, hat er uns als einziges Erbteil den Schimmel hinterlassen. Wer soll ihn nun besitzen? Der älteste schlug vor, jeder solle ihn einen Tag benutzen können. Damit sind wir andern aber nicht zufrieden; denn
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