Der große deutsche Märchenschatz
Herbergsvater; dann legte er sich auf die Streu und schlief fest ein. Dem Wirt lieà aber die Neugier keine Ruhe. »Ein Siebenjahrslohn soll in dem Tüchlein enthalten sein?«, dachte er bei sich. »Das ist wohl gar ein Demant!« Und wenn ihm auch sein Gewissen zurief: »Gastwirt, Gastwirt, lass das Tüchlein in Ruh, was geht dich des Dummhans Siebenjahrslohn an!«, er konnte der Neugier nicht widerstehen und löste den Knoten. Nachdem er jedoch das Tuch auseinandergefaltet, war nichts weiter darin zu sehen als ein einziges Gerstenkorn. Darüber bekam der Wirt einen solchen Schreck, dass er es fallen lieÃ, und ehe erâs sich versah, war der Hahn herbeigesprungen und hatte das Gerstenkorn gefressen.
Am andern Morgen stand Dummhans zeitig auf und verlangte sein Tüchlein. »Der Schatz ist fort«, lachte der Wirt, »der Hahn hat das Gerstenkorn gefressen.« â »Dann gib mir den Hahn«, sprach Dummhans, »oder ich gehe zum Richter, weil du mich um meinen Siebenjahrslohn betrogen hast.« Vor dem Richter hatte aber der Wirt eine Himmelangst, und so gab er dem Dummhans den Hahn mit auf den Weg und freute sich obendrein, dass er den Jungen so leichten Kaufs losgeworden war.
Den nächsten Abend kehrte Dummhans wiederum in einer Herberge ein und übergab dem Wirt seinen Hahn; er solle ihn aber ja nicht aus den Augen lassen, denn er sei ihm über die MaÃen wert, weil er ihn erhalten habe statt eines Lohnes von sieben Jahren. Der Herbergsvater kehrte sich aber nicht an des Dummhans Gerede, sondern sperrte den Hahn in den Pferdestall. Als nun Dummhans am andern Morgen weiterziehen wollte und den Hahn zurückforderte, lag der Vogel tot in der Ecke, der Hengst im Stalle hatte ihn mit seinen Hufen erschlagen und ganz breitgetreten. Dummhans schrie Mord und Zeter und wollte den Wirt verklagen, weil er ihn um seinen Siebenjahrslohn gebracht, und er ruhte auch nicht eher, als bis ihm der Mann für den erschlagenen Hahn den Hengst abgetreten hatte. Das war ein herrliches Tier mit goldener Mähne und goldenem Schweif, dass es eine Lust war, ihn anzublicken. AuÃerdem hatte der Hengst die wundersame Gabe, dass jedes Wesen, welches ihn berührte und zu dem sein Herr sprach: »Bleek an!«, dem Pferd auf den Rücken springen musste und dort fest sitzenblieb, bis er es wieder heruntersteigen hieÃ. Und damit er ja nichts übersähe, wieherte der Hengst jedes Mal hell auf, wenn jemand seinem Goldhaar zu nahe kam.
Auf diesen Hengst schwang sich Dummhans, gab ihm die Sporen, und hoch zu Ross ging es nun die breite LandstraÃe entlang, dass die Pappeln zur Rechten und zur Linken vorbeiflogen und die Wandersleute haltmachten und dem stolzen Reiter nachblickten. Endlich wurde es dunkel, und Dummhans langte in dem dritten Gasthofe an. Nachdem er gegessen und getrunken, legte er sich zu dem Goldhengst in den Stall neben die Häckselkiste und schlief fest ein. Den drei Töchtern des Wirtes hatte aber das goldene Haar keine Ruhe gelassen, und es dauerte gar nicht lange, so klinkte die älteste leise die Stalltüre auf und trat an den Hengst und zupfte ihm ein Goldhaar aus der Mähne. In demselben Augenblick wieherte der Hengst hell auf; Dummhans erwachte, rief: »Bleek an!«, und auf dem Rücken des Pferdes saà das Mädchen und konnte nicht wieder herunter.
Kaum war Dummhans wieder eingeschlafen, so öffnete sich die Pforte von Neuem, und die zweite Tochter schlich sich auf Strümpfen herein. Als sie ihre Schwester auf dem Rücken des Hengstes erblickte, schalt sie zornig: »Du habgieriges Ding, kannst du nicht hier unten pflücken? Schau, machâs wie ich!« Und damit riss sie dem Tier ein paar Haare aus dem Schweif. Hell wieherte der Hengst auf, Dummhans erwachte, rief: »Bleek an!«, und schnarchte weiter; das Mädchen aber saà oben auf dem Rücken des Pferdes hinter der Schwester, und sie verwünschten ihr Geschick.
Indem stahl sich die jüngste Tochter des Wirtes herein, um auch für ihren Teil von den Goldhaaren zu nehmen. Wie sie ihre Schwestern auf dem Rücken des Pferdes sah, sprach sie: »Ihr seid wohl ganz und gar nicht klug, was habt ihr denn auf dem Gaule zu suchen?« Die beiden Mädchen winkten ihr jedoch zu, sie solle still sein, und machten ihr darauf leise klar, dass sie nicht wieder herunterkönnten. Das tat der jüngsten Schwester leid, und sie fasste die beiden älteren frisch
Weitere Kostenlose Bücher