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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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herbeischaffen, wovon er nach Herzenslust aß. Als er satt geworden war, legte er sich in das weiche Bett; und da er müde war, so schlief er bald ein.
    Sowie die Glocke elf schlug, öffnete sich die Türe mit großem Gepolter, und herein stürzten zwölf abscheuliche, garstige Kerle. Die hatten Tisch und Stühle und Karten mitgebracht und setzten sich nieder und begannen ihr Spiel. Kaum erblickten sie den Soldaten in seinem Bett, so riefen sie ihm zu: »Steh auf, Kamerad, und tu uns Bescheid!« Er aber rückte und rührte sich nicht. »Aha, der will die Königstochter durch Schweigen erlösen; nun, wir wollen ihm schon das Maul öffnen!«, schrien sie und holten eine dünne Hanfschnur herbei. Dieselbe zogen sie von einer Ecke der Stube zur andern; dann setzten sie den Soldaten mit auseinandergespreizten Beinen darauf und sägten immer auf und ab, dass das Blut in Strömen auf den Boden lief und der Strick ihm tief in den Leib drang. Johann tat jedoch, wie ein wackerer Soldat tun soll; er biss die Zähne aufeinander, und kein Laut kam über seine Lippen. »Hast du dir eine Suppe eingebrockt, so musst du sie auch ausessen«, dachte er, und das war recht von ihm. Als die Glocke zwölf schlug, verschwanden im Nu die bösen Geister aus der Stube, nachdem sie zuvor die Schnur zerschnitten hatten, sodass Johann ohnmächtig zu Boden fiel.
    Wie er so dalag, kam die Seejungfer aus ihrer Tonne zu ihm herangekrochen und bestrich mit einer köstlichen Salbe die wunden, blutig gerissenen Stellen. In demselben Augenblick waren auch alle Schmerzen verschwunden, und Johann konnte wieder froh und vergnügt aus den Augen blicken. Da sah er nun, dass die Seejungfer nicht mehr schwarz, sondern braun und dass ihr hässlicher Fischschwanz menschlichen Füßen ähnlich geworden war. »Johann«, sagte die Seejungfer, »du hast deine Sache gut gemacht; halt nur gleicherweise die kommende Nacht aus. Die bösen Männer werden dich freilich schier zu Tode schlagen, aber verzag nicht; sobald sie verschwunden sind, heile ich wieder alle deine Wunden.« – »Wer A gesagt, muss auch B sagen«, entgegnete Johann, »vieler Worte hat’s darum gar nicht nötig, ich bleibe die künftige Nacht hier.« Die Seejungfer kroch darauf wieder in ihre Tonne zurück, Johann dagegen störte die alte Hexe auf und ließ sich Schweinebraten und Wein auftragen und lebte herrlich und in Freuden trotz einem König.
    Gegen Abend ward er müde und legte sich schlafen. Schlag elf Uhr wurde er wieder durch großen Lärm geweckt. Die zwölf Kerle kamen herein, stellten einen mächtigen Holzklotz in die Stube und setzten einen Amboss darauf, dann zogen sie den Soldaten aus dem Bett, legten ihn auf das Eisen und bearbeiteten ihn mit ihren Hämmern eine ganze Stunde lang. Johann hatte lautlos ausgehalten; endlich schwanden ihm die Sinne, und er lag für tot da, als die Seejungfer hereintrat und ihn mit der Salbe bestrich. Wie das erste Mal, so waren auch jetzt im Augenblick alle Schmerzen gehoben und alle Wunden geheilt; die Seejungfer aber sah nicht mehr braun, sondern grau aus, und der Fischschwanz war fast ganz geschwunden. Nur an den Waden befanden sich noch Flossen und Schuppen.
    Â»Johann«, sagte die Seejungfer, »lieber Johann, jetzt verlass mich nicht für die dritte Nacht. Da wird dir allerdings Schreckliches begegnen. Man wird dich brennen und braten; aber harre stillschweigend aus, an das Leben dürfen sie dir nicht kommen!« Der Soldat war mutig geworden durch den glücklichen Ausgang der beiden Nächte, auch freute er sich, dass er die Prinzessin schon so weit erlöst hatte, dass sie einem vernünftigen Menschen glich; darum sprach er: »Liebe Seejungfer, dir zuliebe werde ich auch noch die dritte und letzte Nacht aushalten; mag kommen, was will!« Da eilte die Seejungfer vergnügt in ihre Tonne zurück, während Johann sich an Braten und Wein für die ausgestandenen Leiden schadlos hielt.
    Die Seejungfer hatte recht gehabt, als sie sagte, Johann würde die dritte Nacht Erschreckliches ausstehen. Kaum schlug diesmal die Glocke elf, so schleppten die zwölf Kerle einen Feuerherd, Holz, Teller, Messer und Gabeln herbei; dann machten sie ein tüchtiges Feuer an und zogen Johann aus dem Bett, steckten ihn auf einen Spieß und brieten ihn über dem Feuer. Beinahe hätte er bei den entsetzlichen Schmerzen der

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