Der große deutsche Märchenschatz
bei den Beinen, um sie herabzuziehen; doch es gelang ihr nicht, und ehe sieâs sich versah, wieherte der Goldhengst hell auf, Dummhans rief: »Bleek an!«, und oben saà sie, als die dritte im Bunde, und konnte ihre Schwestern nach Herzenslust knuffen und puffen, weil sie von ihnen mit in das Unglück gebracht war.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Dummhans sich von der Streu erhob, seinen Goldhengst löste und zum Stalle herausführte. Auf dem Hof standen der Wirt und die Wirtin und alle Knechte und Mägde und weinten und jammerten, weil die drei Jungfern verschwunden waren. Als sie diese aber auf dem Rosse erblickten, wurden sie froh, dass sie wiedergefunden seien; die drei Mädchen waren aber gar nicht vergnügt, sondern riefen immerfort: »Vater, Mutter, helft uns von dem verwünschten Tier!« Aber soviel sie auch zogen, die Jungfern blieben fest an dem Hengst kleben und rückten und rührten sich nicht. »Ach, lass sie doch wieder herabsteigen!«, bat nun der Wirt den Dummhans; doch der hatte taube Ohren und sprach: »Ich habe sie nicht stehlen heiÃen, und wenn sie selbst hinaufgeklettert sind, mögen sie auch selbst herabsteigen!« Dann ergriff er den Hengst am Zügel und führte ihn zum Tore hinaus.
Vor dem Schulhause stand der Küster. Kaum sah er die wunderbare Gesellschaft, so rief er zornig: »Drei groÃe, schwere Mädchen auf einem Pferd! Ist das Zucht und gute Sitte? Und lasst ihr euch von einem wildfremden Kerl aus dem Dorfe führen? Wartet nur, ich werde euch kriegen!« Sprachâs und lief auf den Goldhengst zu, um die Mädchen herabzureiÃen. »Hühühü!«, wieherte der Hengst, »Bleek an!«, sagte Dummhans, und hinter der jüngsten Tochter des Gastwirts saà der Küster und musste mit auf die Reise, er mochte wollen oder nicht.
Der Zug kam an der Kirche vorbei. Da stand der Herr Pastor in Schlafrock und Pantoffeln und sah nach, ob die bösen Buben wieder eins von den kleinen Fensterchen eingeworfen hätten. Wie erschrak er aber, als er des Küsters und der drei Jungfern auf dem Hengst ansichtig ward! Er lieà die kleinen Fenster kleine Fenster sein und schrie aus vollem Halse: »HeiÃt das Kinder lehren und ehrbaren Wandel führen? Schämt er sich denn nicht, mit drei leichtsinnigen Jungfern aus dem Dorfe zu reiten und noch dazu alle vier auf einem Pferde? Herunter mit ihm!« Und schon hatte er den langen Rockschoà des Küsters in der Hand, um ihn herabzuziehen. »Hühühü!«, wieherte der Goldhengst, »Bleek an!«, sagte Dummhans, und der Pastor saà hinter dem Küster und wusste nicht, wie er hinaufgekommen war.
Er hatte auch gar nicht Zeit, lange darüber nachzusinnen, denn mittlerweile waren sie an den Ausgang des Dorfes gekommen, wo die GroÃbäuerin mit der kleinen Magd an dem Backofen hantierte. Die Bäuerin hatte gerade den Schieber in der Hand, um damit in den Ofen zu fahren, als sie die fünf Menschen auf dem Rosse erblickte. »Kinnerlüd!«, rief sie ergrimmt, »was ist das für ein Teufelswerk? Und, du mein Schrecken, da sitzt ja auch der Herr Pastor! Das heiÃt also den Leuten mit gutem Beispiele vorangehen? Heda, Kathrine, komm schnell, dass wir die gottlose Gesellschaft auseinanderbringen!« Und sie stürzte mit dem Schieber, Kathrine aber mit dem Besen auf den Goldhengst zu, und dann schlugen sie gemeinsam auf den Pastor ein. »Hühühü!«, wieherte der Goldhengst, »Bleek an!«, sprach Dummhans, und die Bäuerin und die Kleinmagd sprangen auf das Ross und saÃen fest; doch es war nicht mehr viel Platz da, sodass Kathrinchen auf dem äuÃersten Schwanzende zu sitzen kam.
Kathrinchen war nun böse auf die GroÃbäuerin und schlug sie mit dem Besen; die Bäuerin schob die Schuld auf den Pastor und stieà ihn mit dem Schieber; der Pastor hielt sich an den Küster und knuffte ihn in die Seiten; der Küster schalt auf die jüngste Wirtstochter und raufte sie an den Haaren; die jüngste Wirtstochter lieà das ihre zweite Schwester entgelten und kniff sie in die Arme; die zweite Schwester rächte sich an der ältesten und zwickte ihr die Ohren; die älteste aber saà still und weinte, denn sie hatte das ganze Unheil angerichtet. Dummhans allein war vergnügt und heiter, zog seinen Goldhengst am Zaume hinter sich her und zeigte seinen Himphamp in den Dörfern und auf den
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