Der große deutsche Märchenschatz
wenn anderer Bauern Mutterschweine zwölf Ferkel warfen und mehr, musste unser Bauer zufrieden sein, wenn eins oder zwei hinter seiner Sau herquiekten. Sein höchster Wunsch war es, einmal mit einem Spann Ochsen fahren zu können, und er sprach hin und wieder davon, dass er es noch einmal dahin bringen müsse. Aber es wollte und wollte nicht gehen, und eines Tages stürzte ihm von seinen beiden Ochsen der eine, sodass er nur noch einen übrig behielt. »Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen«, dachte der Bauer, und richtig, die Leute nannten ihn, weil er mit vieren hatte fahren wollen und ihm nur noch einer geblieben war, Einochs.
Bald aber passte dieser Name, wie die Leute meinten, noch besser auf ihn, und das war damals, als ihm auch der letzte Ochs gestürzt war und er nun gar keinen mehr hatte. Einochs besah das gefallene Tier von der einen und von der andern Seite mit betrübter Miene; aber der Ochs wurde nicht wieder lebendig, und Einochs sprach: »Ich muss nun mein eigner Ochs sein.«
So streifte er gutes Mutes dem Tiere die Haut ab und ritt damit zum Marktflecken, um sie zu verwerten. Um die Haut ärmer und wenige Kreuzer reicher, trat er den Heimweg an. In einem Walde musste er absteigen, und als er einmal eine Handvoll Gras ausrupfte, um seine Schuhe zu säubern, blinkte es zu seinen FüÃen. Er sah nach und fand drei Töpfe mit Geld, so viel und so schwer, dass er es kaum auf dem Sattel fortbringen konnte. Und langsam nebenherwandernd, kam er mit Einbruch der Dunkelheit in seiner Hütte an. Um seinen Reichtum zu messen, schickte er seinen Jungen zum Schulzen und lieh eine Metze. Als er sie am andern Tage wieder zurücksandte, war in einer Ritze ein Groschen hängengeblieben, und als der Schulze den Jungen fragte, was Einochs damit gemacht habe, musste er zu seiner gröÃten Verwunderung hören, dass Einochs sein Geld gemessen und fünf gestrichene Metzen voll eingesackt habe.
Der Schulze hatte nun nichts Eiligeres zu tun, als nach dem Vorsteher zu gehen und ihm die neue Zeitung mitzuteilen, und als dieser hörte, dass der arme Einochs ein reicher Mann geworden sei, lief er mit dem Schulzen zum Geschworenen und machte diesem die Neuigkeit kund. Der Geschworene war ein kluger Mann, der das Gras wachsen und die Fliegen husten hörte, und als er von dem ungemeinen Reichtum des armen Einochs hörte, meinte er gleich, es müsse etwas dahinterstecken und es möge wohl nicht ganz richtig sein. Die beiden anderen sahen sich verschmitzt an, und alle drei wurden einig, zu Einochs zu gehen und ihn kurz und gut zu fragen, an wem er den Mord und StraÃenraub begangen habe.
Gesagt, getan. Der Geschworene trat voran in Einochsâ Hütte, räusperte sich und hustete, stützte sich mit dem Kreuze auf seinen Stab, hustete und räusperte nochmals und platzte dann heraus, Einochs solle nur gestehen, wen er heimlich erschlagen und des grausamen Reichtums beraubt habe. Und dabei hielt er ihm, um ihn zu überführen, den Groschen, der in der Metze hängengeblieben war, vor die Nase und sprach: »Kennst du diesen!« Einochs, der gar nicht wusste, was dem Schulzen und dem Vorsteher und dem Geschworenen durch den Sinn gefahren sei, wurde ganz betreten, und als er endlich erfuhr, dass der Schulze seinen Jungen ausgefragt hatte, legte er sich aufs Leugnen und wurde den dreien immer mehr verdächtig. Zuletzt, als er nicht mehr ausweichen konnte, gestand er seinen Reichtum ein und log noch mehr hinzu als er hatte, sagte den dreien aber, er habe weder jemanden beraubt noch umgebracht, sondern alles ehrlich für seine Ochsenhäute gelöst, die bei den Schuhmachern auf dem Markte reiÃend abgegangen und dreifach mit Geld aufgewogen seien, da schon lange Mangel an Leder vorhanden und die Leute in Gefahr gewesen, barfuà laufen zu müssen. Wenn er nur noch viele Ochsen und Kühe zu schlachten gehabt hätte, würde er mit allen Häuten einen guten Handel haben machen können; die Nachfrage sei gar zu groÃ. Der Geschworene blinzte den Vorsteher, der Vorsteher den Schulzen und der Schulze den Geschworenen an, und alle drei begaben sich hinweg, um auch reich zu werden.
Am andern Morgen brüllte in den Ställen des Schulzen, des Vorstehers und des Geschwornen weder Rind noch Stier, weder Kalb noch Kuh; dafür aber fuhren die drei mit beladenen Wagen dem Markte zu, und auf jedem Wagen lagen Ochsen- und
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