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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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schon der Blick ihrer sanften blauen Augen erfüllte mit neuem Mut die Herzen der Notleidenden. Von dieser Kaiserin erzählt folgende liebliche Geschichte:
    Der Kaiser hielt in Magdeburg Hof. Nach mancherlei rauschenden Festlichkeiten liegt einmal nachts alles in tiefer Ruhe, auch die Diener schlafen schon, und selbst die Wache am Tore sitzt schlaftrunken da. Da kommt noch spät ein gar seltsamer Gast herangeschritten. In hellem Mondscheine tritt nämlich ein Reh, das aus dem fernen Walde gekommen ist, in den Hof, durcheilt unbekümmert um den Schein der Fackeln und Lichter die Vorhallen und geht, als wäre es im Schlosse schon längst bekannt, ohne Aufenthalt durch die Gänge bis zum Schlafgemach der Kaiserin. Dort klopft es mit leisem Fuße an die Türe, und die Kaiserin, wohl die einzige, die noch keinen Schlaf gefunden, ruft einer im Nebenzimmer ruhenden Dienerin zu, dass jemand klopfe und dass sie nachsehen möge, wer es sei. Als diese die Türe öffnet, sieht sie mit Erstaunen das Reh vor dem Gemache stehen. Das Tierlein aber drängt sich geschwind an der Dienerin vorbei und eilt auf das Lager der Kaiserin zu. Vor demselben lässt es sich auf die Knie nieder und blickt mit seinen großen, braunen Augen flehend zu der hohen Frau empor. Diese fragt nun ganz erstaunt das Tier, was es wolle; aber Antwort konnte das Reh nicht geben.
    Doch die mitleidige Kaiserin glaubte in seinen Augen eine Bitte um Hilfe zu lesen und befahl daher, dass man sofort einen Jäger wecke. Derselbe solle dem Tier nachgehen, denn das habe draußen sicher etwas, wobei ihm Hilfe notwendig sei. Und siehe, als das Reh merkte, dass jemand bereit war, mit ihm zu gehen, schritt es auf demselben Weg, den es gekommen war, wieder zurück, die Hallen entlang, die Treppe hinab, hinaus ins Freie, und der Jäger folgte ihm auf Schritt und Tritt nach. So kamen sie bald an die Elbe, welche zugefroren war. Das Reh schritt aber weiter über das Eis, sich oft umsehend, ob der Jäger ihm auch folge, und wenn der einmal stehen blieb, stand es auch still, bis jener wieder vorwärtsging. Als sie so eine Zeit lang gegangen waren, kamen sie in den beschneiten Wald und daselbst endlich auf einen Hügel; da lag ein Rehlämmlein und blickte den Jäger ängstlich an. Das alte Reh aber lief hinzu, beleckte das Junge zärtlich und schmiegte dann seinen Kopf an den Jäger und sah bittend zu ihm empor. Der Jäger hatte sofort bemerkt, dass das kleine Tier in einer Schlinge gefangen war, die ein Wilddieb dort gelegt haben musste. Schnell löste der Mann die Schlinge, rieb das verletzte Beinchen etwas und stellte dann das Tierchen auf die Erde. Kaum fühlte dieses, dass es wieder sicher und frei auf dem Beinchen stehen konnte, so sprang es munter zu seiner Mutter. Das alte Reh sah noch einmal mit dankbarem Blick zu seinem Retter auf, und dann sprangen Mutter und Kind hinab ins Tal und waren bald den Blicken des erstaunten Jägers entschwunden.
    Dieser eilte nun, vor allem getrieben durch das Verlangen, seine merkwürdigen Erlebnisse erzählen zu können, zum Schlosse zurück. Die Kaiserin, die im beständigen Nachdenken über den seltsamen Vorgang keine Ruhe hatte finden können, wachte noch. Sie hatte Befehl gegeben, ihr sofort zu melden, wenn der Jäger zurückgekommen sei. Als derselbe nun wieder angekommen war, ließ sie sich von ihm genau erzählen, was er auf diesem nächtlichen Gange alles erlebt hatte. Von seinem Bericht aufs Tiefste bewegt, verharrte sie noch lange in stillem Nachdenken versunken. Darauf ging sie an das Lager ihres Kindleins, gab dem sanft schlummernden Liebling leise einen herzlichen Kuss und begab sich endlich auch zur Ruhe; doppelt erfreut, einmal darüber, dass sie der armen Rehmutter wieder zu ihrem Lämmlein hatte verhelfen können, zum andern, dass der liebe Gott ihr das eigene liebe Kind gegeben hatte. Nachdem sie dasselbe noch im inbrünstigen Gebet der gütigen Vorsehung seines himmlischen Vaters empfohlen hatte, schlief sie ruhig ein, und im Traum umschwebten sie Engel, die ihr gelobten, ihr Söhnlein auf seinem Lebenswege beschirmen und behüten zu wollen.

Einochs
    Es war einmal ein Bauer in einem Dorfe, dem gar nichts glücken wollte. Er konnte es zu nichts bringen und konnte nicht weiterkommen; die Bienen flogen ihm aus und hängten sich in fremde Baumgärten; seine Hühner wurden mehr als andere vom Fuchse heimgesucht, und

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