Der große deutsche Märchenschatz
Setzt nieder, liebe Leute, setzt nieder und hört mich.« Der Schulze, der Vorsteher und der Geschworene setzten das Fass ab, und der Schulze als der vornehmste unter ihnen sagte: »Sprich, Einochs, wo hast du das Geld hingetan, das du uns schenken willst.« â »Ja«, sagte Einochs, »ich muss mich besinnen.« â »Das ist wahr«, sagte der Vorsteher, »der Kopf mag ihm wohl brummen in dem Fass, er muss sich besinnen.« â »Und wenn ich es euch nun sage«, sprach Einochs, »und ihr geht hin und findet es nicht gleich an seinem Orte, und ihr würft mich ins Meer, bei wem wolltet ihr denn fragen, ob ihr mich auch recht verstanden habt?« â »Das ist wahr«, sagte der Geschworene; »wir wollen das Fass so lange stehen lassen, damit wir Einochs fragen können, wenn wir das Geld nicht finden, ob er uns die Wahrheit gesagt hat.«
Der Rat war billig, und der Schulze und der Vorsteher hielten es für das Beste, zu tun, wie der Geschworene gesagt. »Liebe Leute«, sagte Einochs im Fass, »lasst es euch nicht leid sein, dass ich sterben muss, und vertrinkt das Geld, das ich euch schenken will, in der Schenke in kühlem Weine. Um mich seid unbesorgt; ich will hier schon warten. Zu Hause in der Stube hinter der Tür in dem Kasten unter der Bank liegt ein Schlüssel, mit diesem schlieÃt den Schrank in der Kammer am Fenster auf; darin hängt ein Rock, in dessen Tasche ein Schlüssel steckt, der einen Kasten in der Stube unter der Bank am Fenster schlieÃt, darin werdet ihr einen Beutel finden, in dem nichts ist; und auf dem Schranke, wo der Rock hängt, steht ein Kasten, der ist offen, und darin ist auch nichts. Aber in dem Kasten unter der Bank hinter der Tür in der Stube findet ihr neben dem Schlüssel ein Päckchen mit Geld. Das ist das Geld, das ich euch schenke und das ihr in der Schenke in kühlem Weine vertrinken sollt.« â »Ganz wohl«, sprach der Schulze. »Wir wollen es schon finden«, sagte der Vorsteher. »Wir wollen es schon behalten«, meinte der Geschworene, und alle drei machten sich auf den Weg nach Einochsâ Hause, um das Geld zu suchen, das er ihnen zum Weine gegeben. Sie nahmen in der Stube hinter der Tür aus dem Kasten unter der Bank einen Schlüssel, der den Schrank in der Kammer am Fenster schloss. Darin fanden sie in der Tasche des Rocks den Schlüssel, der zu dem Kasten in der Stube unter der Bank am Fenster schloss. Darin lag ein Beutel, und in dem Beutel war nichts. »Einochs hat die Wahrheit gesagt«, sprach der Geschworene. »Er lügt doch nicht immer«, sagte der Vorsteher. »Er ist doch besser, als man meinen sollte«, bemerkte der Schulze. Sie suchten dann weiter und fanden auf dem Schranke, wo der Rock hing, einen Kasten, der war offen, und darin war auch nichts, genau, wie es Einochs gesagt hatte. Aber in dem Kasten unter der Bank hinter der Tür in der Stube fanden sie neben der Stelle, wo der Schlüssel gelegen hatte, ein Päckchen, das der Schulze als der vornehmste unter ihnen hervornahm und öffnete. Das Läppchen gab er dem Vorsteher zu halten und zählte dem Geschwornen das Geld in die flache Hand. Es waren 13 Schaf, 1 Stüver und 9 Witten, Geld genug, um einen kühlen Trunk dafür zu tun. Alsogleich machten sich der Schulze, der Vorsteher und der Geschworene auf nach der Schenke und waren fröhlich und guter Dinge.
Einochs in seinem Fass wartete, dass jemand des Weges kommen werde, und richtig kam auch ein Schweinhirt daher, der eine gestohlene Herde vor sich hintrieb und auf der Weidenflöte pfiff. Einochs pochte und klopfte in seinem Fass und schrie: »Ich will kein Schulze werden! Ich will kein Schulze werden!« Erschrocken lieà der Hirt die Flöte fallen und wagte sich kaum heran, denn er glaubte, der Teufel stecke in dem Fass. Als er aber näher zuhörte, merkte er wohl, dass es ein Mensch war. Er fragte nach Grund und Ursache, und Einochs sagte ihm, die Bauern wollten ihn zum Schulzen haben, und da er sich geweigert habe, das schwere Amt auf sich zu nehmen, hätten sie ihn in das Fass gesteckt, um ihn zu ersäufen. »Oho«, sagte der Schweinhirt, »ist es so; da kann Rat werden. Ich will das Amt wohl verwalten. Steige nur heraus, dass ich mich hineinsetze.« â »Ja, lieber Schweinhirt«, sagte Einochs, »treib nur die Reifen los, dass ich den Boden ausstoÃen kann.« Behände
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