Der große deutsche Märchenschatz
wolle kein Hehl daraus machen, da sie es doch einmal gesehen; ja, das Pferd sei ein Wunderpferd, und von ihm komme der Reichtum, den er mit Metzen gemessen habe. Da baten sie ihn so lange, dass er ihnen das Pferd für schweres Geld verkaufe, bis er einwilligte. Sie legten zusammen, brachten das Geld und führten das Pferd mit sich fort.
Der Schulze, als der vornehmste unter ihnen, bekam es zuerst und stellte es gleich in seinem Hause auf ein ausgebreitetes weiÃes Laken, band ihm einen groÃen Beutel mit dem besten Hafer vor das Maul, dass es die Nacht tüchtig fressen sollte, und konnte kaum schlafen vor Gedanken, was er mit allem Reichtum alles anfangen sollte. Endlich als es Tag wurde, lief er nach dem Pferde und suchte in den Rossäpfeln auf dem Laken nach Geld. Richtig fand er auch ein kleines Silberstück, das er gerade einstecken wollte, als der Vorsteher, den die Gedanken auch nicht hatten schlafen lassen, eintrat und den Schulzen glücklich pries, dass er in einer Nacht ein steinreicher Mann geworden sei. »Jetzt«, sagte er, »ist die Reihe an mir«, und damit fasste er das Pferd beim Halfter und führte es in seinen Stall. An Futter lieà er es nicht fehlen. Die Raufe wurde mit Heu gefüllt, die Krippe mit reinem Hafer, dem Wunderpferde ein groÃes weiÃes Laken untergebreitet und der Stall zugeschlossen, damit niemand etwas merke oder wegnehme. Das Laken wurde auch voll, aber nicht voll Geld. Als der Vorsteher nachsuchte, sah er sich fast blind; aber er fand kein Geld. Ungeduldig kam der Geschworene herzu und meinte, der Vorsteher sei nun reich genug geworden, jetzt komme die Reihe an ihn, er wolle sein Teil auch haben. Der Vorsteher leugnete, dass er schon irgendeinen Groschen gefunden habe, und schalt auf das Pferd und auf Einochs, der sie betröge und wieder betröge. Der Geschworene lachte dazu und glaubte, der Vorsteher wolle das Pferd nur länger für sich allein behalten, um noch reicher zu werden. Er fasste es deshalb kurz und gut beim Halfter und führte es in seinen Stall. Er machte es wie der Vorsteher, und es ging ihm auch gerade wie dem Vorsteher. Da war kein Geld und kam kein Geld. Zornig lief der Geschworene zum Vorsteher und mit dem Vorsteher zum Schulzen, und alle drei machten sich auf, um an Einochs Rache zu nehmen.
Einochs war nicht ganz wohl zumute. Er dachte hin und her, was er machen sollte, wenn der Schulze, der Vorsteher und der Geschworene den neuen Mutwillen merken und dann kommen würden, um sich an ihm zu rächen. Als er noch so in Gedanken saÃ, die Ellenbogen auf die Knie und den Kopf in die Hände gestützt, kamen die drei mit blanken SpieÃen hereingestürmt und sprachen: »Einochs, du musst sterben!« â »Ja, das musst du«, sagte der Schulze, »hast du uns nicht um die Rinderhäute betrogen!« â »Und uns verführt«, sagte der Vorsteher, »unsere Frauen zu töten!« â »Ja und dann«, sagte der Geschworene, »haben wir wohl was von dem Pferde gehabt als Stank und Undank!« â »Du musst sterben«, riefen sie alle wie aus einem Munde, »sterben musst du!« â »Ja, das muss ich«, sagte Einochs kläglich und schlug seine Augen gottsbarmherzig zu dem zornigen Schulzen, Vorsteher und Geschworenen auf, »sterben muss ich, es fragt sich nur, wann und wie. Ihr habt meinen Tod beschlossen, und ich will mich nicht wehren. Tut mir nur die letzte Liebe und setzt mich in ein Fass und werft mich ins Meer; einen andern Tod halte ich nicht aus.«
Der Schulze, der Vorsteher und der Geschworne fanden den Wunsch nicht unbillig und beschlossen, da Einochs einen anderen Tod nun einmal nicht aushalten könne, ihn zu ertränken. Alsbald wurde ein Fass herbeigerollt, Einochs hineingesetzt, der Boden eingelegt, die Reifen angetrieben, und hin gingen sie mit Einochs im Fass auf den Schultern. Vor dem Dorfe seufzte Einochs laut und vernehmlich im Fass, sodass der Geschworne ganz erschreckt rief: »Er stirbt, er stirbt!« â »Ja, ich sterbe«, seufzte Einochs; »aber das macht mir keinen Kummer, ich seufze um ganz andre Dinge. Hört, ihr lieben Leute, ich will euch etwas bekennen. Da es nun doch einmal gestorben sein soll, was hilft mir nun Geld und Gut! Ich habe zu Hause noch das Geld verborgen, das ich aus dem Pferdehandel von euch gelöst habe. Das will ich euch schenken. Aber wenn ich tot bin, kann ich euch nicht sagen, wo es steckt.
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