Der große deutsche Märchenschatz
zu.
Als sie aber mitten im Walde war, kamen die Räuber und nahmen sie ebenfalls gefangen und führten sie in die Höhle, wo sie sogleich an der Wand die Kleider ihres Gemahls hängen sah und nun ungefähr vermuten konnte, wo er sein mochte.
In der Höhle aber lag der Räuberhauptmann todkrank, und als er den Geistlichen hereinkommen sah, bat er ihn, dass er ihm doch die Beichte abnehmen möchte. Da fühlte sie dem Kranken nach dem Puls und sagte: »Dir ist noch zu helfen; ich habe ein Mittel, das ist für alles gut, und wenn du nur einen Löffel voll davon nimmst, so wirst du ganz gewiss wieder gesund werden.« Da holte sie eine Flasche hervor und gab ihm zu trinken; dann wollten auch die übrigen fünfundzwanzig Räuber etwas davon haben und rissen sich schier darum, weil sie fürchteten, der Letzte möchte zu kurz kommen. Indes reichte der Trank für alle hin. Kaum aber hatten sie ihn genossen, so wurden sie müde und schliefen fest ein; denn es war ein Schlaftrunk, den sie eingenommen, derselbe, mit dem die Vize-Königin auch den Priester eingeschläfert hatte.
Als sie nun alle schliefen, nahm die Vize-Königin ein Schwert und hieb den fünfundzwanzig Räubern der Reihe nach den Kopf ab, ging darauf zu dem kranken Hauptmann und fuhr ihm mit den Fingern kitzelnd über die FuÃsohlen, sodass er erwachte und die Augen aufschlug, und dann sprach sie zu ihm: »Jetzt will ich dir beichten, dass ich die Vize-Königin von Böhmen bin; sag du mir nur, wie die Kleider, die da hängen, hierhergekommen sind?« Da sprach er: »Wenn Ihr die Vize-Königin seid, so sind das die Kleider Eures Gemahls; die haben meine Leute ihm abgenommen; ihm selbst aber ist kein Haar gekrümmt worden, und also ist er weitergezogen in andern Kleidern.« â »Dann ist es gut!«, sprach sie, hob das Schwert und schlug auch dem Räuberhauptmann den Kopf herunter, nahm sodann die Kleider ihres Gemahls und alle Schätze, die in der Höhle waren und lud sie auf den Wagen und fuhr schnell weiter auf Schwarzdorf zu.
Wie sie nun in das Dorf kam, wurde gerade Kirchweih gehalten. In dem Wirtshause aber, wo sie bleiben wollte, war es so voll und unruhig, dass der Wirt zu seinem Nachbarn lief und den fragte, ob er nicht einen fremden geistlichen Herrn über Nacht behalten wollte. Ja, das wollte er wohl; und so führte der Wirt den Gast zu seinem Nachbarn, der ein Kohlenbrenner war. Dieser grüÃte den Geistlichen freundlich und lud ihn sogleich zum Abendessen ein; und als sie miteinander gegessen hatten, seufzte jemand hinter dem Ofen, in einer finstern Ecke, worauf der Geistliche fragte, wer denn da noch hinterm Ofen sei?
Da sagte der alte Kohlenbrenner: »Das ist mein Sohn, der war viele Jahre lang fort, kommt endlich ganz zerlumpt wieder und sagt, er sei Vize-König von Böhmen; die Räuber aber hätten ihm unterwegs alles abgenommen; allein ich glaube, dass es ihm im Kopfe spukt.« Da dachte die Vize-Königin still für sich: »So, so! Prinz von Schwarzdorf!«, und gab dem Kohlenbrenner, der noch ins Wirtshaus zur Kirchweih wollte, einen Dukaten und sprach: »Trinkt auf meine Gesundheit und gebt dem Burschen da noch etwas zu essen!« Dann eilte der Kohlenbrenner ganz glückselig fort und sagte zu seiner Frau: »Komm auch bald nach, Alte!« Und als sie fertig war und zu ihrem Manne wollte, bekam sie von dem Geistlichen ebenfalls einen Dukaten und wusste gar nicht, was sie vor lauter Freude nur anfangen und sagen sollte.
Sobald nun die beiden Alten fort waren, legte die Vize-Königin die Priesterkutte ab und zog ihr Brautkleid an und nahm ein Licht in die Hand und sah dem Burschen, der hinter dem Ofen angebunden lag, ins Gesicht. Da erkannte sie sogleich ihren Gemahl und er erkannte sie und fing bitterlich an zu weinen. Sie aber rief ganz erfreut: »Ei, weine doch nicht! Du bist und bleibst ja mein lieber Gemahl!« Dann machte sie ihn los, wusch ihn und legte ihm sein Hochzeitskleid an, das sie mitgebracht hatte, und dann gingen sie miteinander Arm in Arm ins Wirtshaus.
Jetzt führte er seine Gemahlin zuerst zu seinem Vater, der unten im Saale war, und reichte ihm die Hand und rief: »Gelt Vater, ich bin doch Vize-König von Böhmen!«, und dann gab er ihm eine Handvoll Geld und sagte: »Nun trinkt auch ihr alle, die ihr da seid, auf unsre Gesundheit!«, sodass der Vater nur staunte und gar nicht wusste, was
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