Der große deutsche Märchenschatz
wieder zur Kirche kommen sollte, mit allen Ehren empfangen und zur königlichen Tafel einladen möchten. Das geschah denn auch; er wurde mit Musik eingeholt und zur Tafel eingeladen, was er annahm, und fuhr, sobald die Predigt aus war, vors königliche Schloss. Dort wurde er von allen, besonders aber von der Prinzessin, überaus freundlich empfangen. Als es nun zur Tafel ging, fragte ihn der König noch mit aller Höflichkeit nach seinen Namen. »Ich bin der Prinz â von Schwarzdorf«, gab er zur Antwort, wie es ihm sein Herr geheiÃen hatte; denn er war ja aus Schwarzdorf gebürtig.
Nachdem sie nun miteinander gegessen, getrunken und allerlei Scherz und Kurzweil getrieben hatten und der Vize-König wohl merkte, dass der fremde Prinz in seine Tochter ebenso verliebt war als sie in ihn, so sprach er: »Ich bin nun alt und hab das Regieren satt, bin daher willens, meiner Tochter einen Mann zu geben, der mein Nachfolger sei, und dazu hab ich dich ausersehen, mein lieber Prinz! Und ich würde mich freuen, wenn du mein Tochtermann werden wolltest.« Der Prinz von Schwarzdorf besann sich nicht lang, sondern willigte sogleich mit Freuden ein und verlobte sich mit der schönen Prinzessin. Alsbald wurde auch Hochzeit gehalten und er ward Vize-König von Böhmen und lebte überaus glücklich mit seiner Gemahlin.
So waren ihm bereits schnell mehre Jahre hingegangen. Da gedachte der junge Vize-König in seinem Glücke auch an seine Eltern in Schwarzdorf und lieà eines Tags einen Wagen mit Geld und Gut packen, nahm Abschied auf einige Wochen von seiner lieben Frau und begab sich auf den Weg nach Schwarzdorf. Als er aber unterwegs durch einen finsteren Wald kam, wurde er von Räubern überfallen; die nahmen sein Geld, verbanden ihm die Augen und führten ihn so in ihre Höhle. Zum Glück war der Räuberhauptmann gerade krank, sonst wäre er wohl nicht mit dem Leben davongekommen; jetzt aber begnügte man sich damit, dass man ihm die schönen Kleider auszog und ihm dafür alte, abgetragene Lumpen gab, womit er seine BlöÃe decken konnte; und so führten sie ihn wieder ins Freie und lieÃen ihn laufen.
Jetzt war er wieder so arm und elend als früher, da er von Haus geflohen war, und wusste gar nicht, was er nur anfangen sollte, beschloss aber doch, weil er schon so nahe bei Schwarzdorf war, seine Eltern erst zu besuchen, obwohl er jetzt wie ein armer Bettler zu ihnen kam und sich deshalb gar sehr ärgerte und schämte. Als er nun aber mit seinen zerrissenen Kleidern in seiner Eltern Haus anlangte und ihnen erzählte, wie er Vize-König von Böhmen geworden sei und seinen Eltern jetzt einen Wagen voll Geld habe bringen wollen, wie aber die Räuber ihm alles bis aufs Hemd genommen und ihm dafür bloà diese Lumpen gegeben hatten, da meinten sein Bruder wie auch der Vater, das seien schamlose Lügen, und sprachen: »Du bist mir ein sauberer Vize-König; man braucht dich nur anzusehen; ein loser Landstreicher und Lügner bist; wir kennen dich noch von früher her!« Als aber der Sohn sich hoch und teuer verschwor und bitterlich weinte, dass man seinen Worten nicht trauen wollte, da glaubte der Vater, es sei bei dem Sohne nicht ganz richtig im Kopf und er müsse durch sein unordentliches Leben seinen Verstand verloren haben. Um ihn deshalb unschädlich zu machen, nahm er eine Kette und schloss ihn daran fest, gab ihm auch schmale Kost, dass er nicht gerade Hungers starb, denn er selbst hatte nicht viel übrig.
So musste er eine Zeit lang elendiglich schmachten und wurde von allen verlacht und verhöhnt, wenn er sagte: »Ich bin doch Vize-König von Böhmen!« Deshalb waren auch all seine Bitten, ihn doch zu seiner Gemahlin zurückzuführen, umsonst, denn man hielt es für Verrücktheit und hütete ihn um so mehr, auf dass er nicht noch einmal davonlaufen möchte.
Während dieser Zeit verfiel seine Gemahlin in eine schwere Gemütskrankheit und war immer traurig und mochte weder essen noch trinken, weil ihr Gemahl gar nicht zurückkam und sie nicht einmal wusste, ob er auch noch am Leben sei. Da kam eines Tages ein Geistlicher zu ihr, um sie zu trösten; dem aber reichte sie einen Schlaftrunk, sodass er alsbald fest einschlief. Darauf zog sie ihm den Priesterrock aus und legte ihn selbst an, lieà einen Wagen bespannen und viel Geld hineintun und fuhr als Priester gekleidet nach Schwarzdorf
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