Der große deutsche Märchenschatz
auf dem du heimreiten kannst.«
Dieses Pferd, das die alte Frau ihm zeigte, hatte vier Köpfe und war ein hölzernes Bildwerk; die Köpfe aber stellten eigentlich ihre drei Söhne vor, und der Ihrige war der vierte. Wie der König nun das seltsame Gebilde betrachtete, so rief ihm eine Stimme vom Himmel zu: »Nimm das Schwert, welches das eine Pferd im Munde hält, und haue dem Zaubertier die vier Köpfe ab, so werden deine Schwestern erlöst sein.« Das tat denn der König auch auf der Stelle, und sowie er den letzten Kopf abgeschlagen, stand ein wirkliches wunderschönes Pferd da. Das bestieg er und ritt eilig zurück zu seinen Schwestern.
Da war die Freude groÃ; alle waren frei und sahen und hörten nichts mehr von den drei Brüdern, die sie entführt hatten. Der König aber nahm unermessliche Schätze aus den drei Schlössern mit in seine Heimat, also, dass er der reichste König in der Welt geworden, und behielt seine drei Schwestern bei sich bis an ihr Ende.
Der Sohn des Kohlenbrenners
In Böhmen war ein Dorf, darin lauter Kohlenbrenner wohnten, weshalb es den Namen Schwarzdorf bekommen hatte. Hier lebte auch ein Köhler, der hatte zwei Söhne, von denen war der jüngste ein schöner und stattlicher Bursch, wollte aber nichts gut tun und machte deshalb seinem Vater vielen Kummer. Wenn der Vater ihn des Nachts zu dem Kohlenhaufen schickte, dass er dabei wachen und auf das Feuer achthaben und zu rechter Zeit die Luftlöcher verstopfen und frisches Brennholz nachlegen sollte, so lieà er Kohlen Kohlen sein und besuchte die hübschen Mädchen im Dorf oder ging ins Wirtshaus und trank, sodass der Vater oft in einer einzigen Nacht für mehr als fünfzig Gulden Schaden an seinen Kohlen erlitt. Alle Ermahnungen halfen nichts mehr; der Vater band ihn sogar mit Ketten im Hause fest, um ihn zu züchtigen; allein es wurde nicht besser mit dem Sohne. Deshalb blieb der Vater lieber selbst des Nachts bei den Kohlen auf und versagte sich den Schlaf.
Eines Sonntags aber, nachdem der Vater die ganze Woche lang bei Tag und Nacht gearbeitet und niemals geruht hatte, bedurfte er des Schlafs gar sehr und sagte zu seinem jüngsten Sohne: »Heut Nacht musst du einmal bei dem Kohlenhaufen aufbleiben; ich kann nicht mehr und will sehen, ob du endlich dich gebessert hast und nicht wieder in deine alten Sünden verfällst.« Da versprach ihm der Sohn, dass er diesmal ganz gewiss seine Schuldigkeit tun und recht ordentlich achtgeben wolle, ging auch guten Mutes hinaus in den Wald und nahm sich vor: »Von jetzt an will ich ein anderer Mensch werden und mich bessern!« Dann versah er auch alles, wie sichâs gehörte bis ungefähr gegen zehn Uhr abends. Da dachte er: »Ei, es ist doch eigentlich überflüssig, dass ich die ganze Nacht hier am Feuer stehe; das kann jetzt allein wohl fortbrennen; ein Stündchen wenigstens darf ich schon weggehn und eins trinken.« Und sogleich war er auch schon auf dem Wege ins Wirtshaus.
Aus dem Stündchen aber, das er hier bleiben wollte, wurden bald zwei, endlich drei und vier Stunden. Als er nun aber fortging, war ihm so fröhlich und leicht ums Herz, dass er dachte: »Ach, wenn du jetzt doch nur deinen Schatz in den Arm nehmen und recht küssen und drücken könntest!« Und wie erâs dachte, so machte erâs auch, schlich sich ans Fenster, wo das hübsche Mädchen schlief, klopfte an und wurde eingelassen und plauderte und scherzte nun mit ihr bis zum hellen Morgen. Als er jetzt endlich zu seinem Kohlenhaufen zurückkam, da war alles verbrannt und verdorben und ein groÃer Aschenhaufen geworden.
Das fiel ihm schwer aufs Herz, und er fürchtete, dass der Vater diesmal seine Drohung ausführen und ihn schlagen möchte, solang er sich rühren und regen könnte, wie er gesagt hatte. Deshalb machte er sich schnell auf und davon und floh in den Wald immer tiefer hinein und wusste gar nicht, wo er hinkam; denn er fand weder Weg noch Steg, noch irgendeinen Menschen, den er hätte fragen können. Als endlich der Hunger sich bei ihm einstellte, suchte er auch vergeblich nach Speise und musste sich mit Wasser und Wurzeln und mit der Rinde von jungen Bäumen begnügen. Das dauerte wohl einige Tage lang, indem er beständig in dem Walde umherirrte und sich sagen musste, dass er selbst an seinem Elend Schuld sei.
Zu derselben Zeit geschah es, dass der Sohn des
Weitere Kostenlose Bücher