Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
Rüstung auf mutigem Rosse den Weg nach dem Glasberg ritt.
    Er ließ sein Pferd erst einen Anlauf nehmen, klomm zu aller Erstaunen den halben Berg hinan und kehrte glücklich zurück. Am folgenden Tag trieb er wieder, da ihm die erste Probe gelungen war, sein Pferd auf den Berg zu; das Ross stampfte auf dem Glase wie auf ebener Erde, und die Funken sprühten aus den Hufen. Alle Ritter umher blickten verwundert – schon war er dem Gipfel ganz nahe. Sie sahen wieder hin und er stand schon neben dem Apfelbaum. Da erhob sich ein großmächtiger Falke, rauschte mit seinen breiten Flügeln und traf damit die Augen des Pferdes. Das Pferd scheute, öffnete die weiten Nasenlöcher und hob die dichte Mähne, dann bäumte es sich hoch empor; die Hinterfüße glitten aus und es fiel samt dem Reiter den steilen Berg hinunter. Von beiden blieben nur die Knochen übrig, die in der zusammengestoßenen Rüstung wie trockene Erbsen in der Blase klapperten.
    Nur ein Tag fehlte noch zum Schluss des siebenten Jahres. Da kam ein Schüler heran, ein lustiger Bursche, ein schmucker, kräftiger und großer Jüngling. Er sah, wie so viele Ritter vergebens sich die Hälse brachen; darum ging er nach dem glatten Berge und kletterte ohne Pferd hinan.
    Vor einem Jahre schon, da er noch zu Hause bei seinen Eltern war, hatte er viel von der Prinzessin gehört, die in dem goldenen Schloss sitze auf dem Gipfel des gläsernen Berges. Er ging also in den Wald, tötete einen Fuchs und befestigte sich dessen lange und scharfe Krallen an Händen und Füßen.
    Mit diesen Waffen versehen, kletterte er kühn auf den gläsernen Berg. Die Sonne war im Untergehen, der Schüler blieb auf der Hälfte seines Weges stehen, kaum konnte er atmen vor Ermattung; der Durst hatte seinen Mund ganz ausgetrocknet. Eine schwarze Wolke flog vorüber, doch vergebens bat und beschwor er sie, einen Tropfen wenigstens fallen zu lassen. Vergebens öffnete er den Mund – die schwarze Wolke flog vorüber und auch kein Tröpfchen Tau befeuchtete seine ausgedörrten Lippen.
    Seine Füße waren ganz wund und blutig, er hielt sich nur noch mit den Händen. Der Tag ging unter und er blickte nach oben, um noch den Gipfel des Berges zu erschauen, doch musste er den Kopf in die Höhe wenden, dass ihm die Mütze dabei herunterfiel. Dann blickte er nach unten – o Himmel! Welcher Abgrund! Dort war ein sicherer, unabweislicher Tod! Die halb verfaulten Menschen- und Pferdeleichen verpesteten den reinen Atem; es waren dies die Überreste der kühnen Jünglinge, die ebenso wie er hinaufzudringen versucht hatten.
    Schon war es finstere Dämmerung, die Sterne beleuchteten bloß den gläsernen Berg, und der junge Schüler hing wie angeschmiedet an seinen blutigen Händen. Höher hinauf kam er nicht mehr, denn er hatte alle seine Kräfte erschöpft. Er wusste keinen Rat mehr, und so ausgestreckt, erwartete er den Tod. Plötzlich schloss ihm der Schlaf die Augen. Er vergaß seine gefährliche Lage und schlummerte ein. Aber obwohl schlafend, hatte er doch die scharfen Krallen so tief ins Glas gehackt, dass er bis Mitternacht ganz ruhig schlief und nicht hinunterfiel.
    Den goldenen Apfelbaum verteidigte der Falke, der jenen Ritter mit dem Pferde hinabgeworfen hatte. Immer umflog er des Nachts als wachsamer Wächter den Glasberg, und kaum war der Mond aus den Wolken hervorgedrungen, als er sich aus dem Apfelbaume erhob und in der Luft umherkreisend den Schüler erblickte.
    Nach Aas begierig und gewiss, dass
dieser
eine frische Leiche sei, ließ sich der Vogel plötzlich herab und setzte sich nieder. Aber der Bursche schlief nicht mehr; er erblickte den Falken und beschloss sogleich, sich mit seiner Hilfe vom Berge zu retten.
    Der Falke senkte seine scharfen Krallen in das Fleisch des Jünglings; aber der Bursche ertrug den Schmerz geduldig und packte die Füße des Vogels. Dieser hob ihn erschrocken hoch mit sich empor und begann, um den Turm des Schlosses mit ihm zu kreisen. Der Schüler hielt sich noch immer rüstig fest, er blickte auf die hohen Fenster, die von vielfarbigem Putz flimmerten; auf dem Balkon aber saß die wunderschöne Prinzessin in trübselige Gedanken versunken. Der Bursche sah den goldenen Apfelbaum jetzt in der Nähe, zog aus dem Gürtel ein kleines Taschenmesser hervor und schnitt dem Falken beide Füße ab. Der Vogel stieg vor

Weitere Kostenlose Bücher