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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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sich aber doch aus dem Staube. Ein oder zwei Jahre danach war ich in eben demselben Walde auf der Jagd; und siehe! zum Vorschein kam ein stattlicher Hirsch mit einem voll ausgewachsenen Kirschbaume, mehr als zehn Fuß hoch, zwischen seinem Geweih. Mir fiel gleich mein voriges Abenteuer wieder ein; ich betrachtete den Hirsch als mein längst wohlerworbenes Eigentum und legte ihn mit einem Schuss zu Boden, wodurch ich denn auf einmal an Braten und Kirschtunke zugleich geriet. Denn der Baum hing reichlich voll Früchte, die ich in meinem ganzen Leben so köstlich nicht gegessen hatte.
    Was sagen Sie zum Beispiel zu folgendem Vorgang? Mir waren einmal Tageslicht und Pulver in einem polnischen Walde ausgegangen. Als ich nach Hause ging, fuhr mir ein ganz entsetzlicher Bär mit offenem Rachen, bereit mich zu verschlingen, auf den Leib. Umsonst durchsuchte ich in der Hast alle meine Taschen nach Pulver und Blei. Nichts fand ich als zwei Flintensteine, die man auf einen Notfall wohl mitzunehmen pflegt. Davon warf ich einen aus aller Macht in den offenen Rachen des Ungeheuers, ganz seinen Schlund hinab. Wie ihm nun das nicht allzu wohl gefallen mochte, so machte mein Bär links um, sodass ich den anderen nach der Hinterpforte schleudern konnte. Wunderbar und herrlich ging alles vonstatten. Der Stein fuhr nicht nur hinein, sondern auch mit dem andern Steine im Magen dergestalt zusammen, dass es Feuer gab und den Bär mit einem gewaltigen Knalle auseinandersprengte. Obgleich ich nun diesmal mit heiler Haut davonkam, so möchte ich das Stückchen doch eben nicht noch einmal machen.
    Es war aber gewissermaßen recht mein Schicksal, dass die wildesten und gefährlichsten Bestien mich gerade dann angriffen, wenn ich außerstande war, ihnen die Spitze zu bieten, gleichsam als ob ihnen der Instinkt meine Wehrlosigkeit verraten hätte. So schoss mir einmal unversehens ein fürchterlicher Wolf so nahe auf den Leib, dass mir nichts weiter übrig blieb, als ihm, dem mechanischen Instinkt zufolge, meine Faust in den offenen Rachen zu stoßen. Gerade meiner Sicherheit wegen stieß ich immer weiter und weiter und brachte meinen Arm beinahe bis an die Schulter hinein. Was war aber nun zu tun? – Ich kann eben nicht sagen, dass mir diese unbehilfliche Situation sonderlich anstand. – Man denke nur, Stirn gegen Stirn mit einem Wolfe! – Wir schauten uns eben nicht gar lieblich an. Hätte ich meinen Arm zurückgezogen, so wäre mir die Bestie nur desto wütender zu Leibe gesprungen. Soviel ließ sich klar und deutlich aus seinen flammenden Augen herausbuchstabieren. Kurz, ich packte ihn beim Eingeweide, kehrte sein Äußeres zuinnerst wie einen Handschuh, um, schleuderte ihn zu Boden und ließ ihn da liegen.
    Dies Stückchen hätte ich nun wieder nicht an einem tollen Hunde versuchen mögen, welcher bald darauf in einem engen Gässchen zu St. Petersburg gegen mich anlief. »Lauf was du kannst!«, dachte ich. Um desto besser fortzukommen, warf ich meinen Überrock ab und rettete mich geschwind ins Haus. Den Rock ließ ich hernach durch meinen Bedienten hereinholen und zu den andern Kleidern in die Garderobe hängen. Tags darauf geriet ich in ein gewaltiges Schrecken durch meines Johanns Geschrei: »Herr Gott, Herr Baron, Ihr Überrock ist toll!« Ich sprang hurtig zu ihm hinauf und fand fast alle meine Kleider umhergezerrt und zu Stücken zerrissen. Der Kerl hatte es auf ein Haar getroffen, dass der Überrock toll sei. Ich kam gerade noch selbst dazu, wie er über ein schönes neues Galakleid herfiel und es auf eine gar unbarmherzige Weise zerschüttelte und umherzauste.
    In allen diesen Fällen, meine Herren, wo ich freilich immer glücklich, aber doch nur immer mit genauer Not davon kam, half mir das Schicksal, welches ich durch Tapferkeit und Gegenwart des Geistes zu meinem Vorteile lenkte. Alles zusammengenommen macht, wie jedermann weiß, den glücklichen Jäger, Seemann und Soldaten aus. Der aber würde ein sehr unvorsichtiger, tadelnswerter Waidmann, Admiral und General sein, der sich überall nur auf das Schicksal oder sein Gestirn verlassen wollte, ohne sich weder um die besonders erforderlichen Kunstfertigkeiten zu bekümmern, noch sich mit denjenigen Werkzeugen zu versehen, die den guten Erfolg sichern. Ein solcher Tadel trifft mich keineswegs. Denn ich bin immer berühmt gewesen, sowohl wegen der Vortrefflichkeit meiner

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