Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
ging es bei der Avantgarde sehr heiß her. Mein feuriger Litauer hätte mich beinahe in des Teufels Küche gebracht. Ich hatte einen ziemlich entfernten Vorposten und sah den Feind in einer Wolke von Staub gegen mich anrücken, wodurch ich wegen seiner wahren Anzahl und Absicht gänzlich in Ungewissheit blieb. Mich in eine ähnliche Wolke von Staub einzuhüllen wäre freilich wohl ein Leichtes gewesen, würde mich aber ebensowenig der Absicht nähergebracht haben, warum ich vorausgeschickt war, ich sollte nämlich Erkundigungen über die Stärke und Bewegungen der Türken einholen. Ich ließ daher meine Husaren zur Linken und Rechten auf beiden Flügeln sich zerstreuen und so viel Staub erregen, als sie nur immer konnten. Ich selbst aber ging gerade auf den Feind los, um ihn näher in Augenschein zu nehmen. Dies gelang mir. Denn er stand und focht nur so lange, bis die Furcht vor meinen Husaren ihn in Unordnung zurücktrieb. Nun war es Zeit, tapfer über ihn herzufallen. Wir zerstreuten ihn völlig, richteten eine gewaltige Niederlage an und trieben ihn nicht allein in seine Festung zum Tor hinein, sondern auch durch und durch und zum entgegengesetzten Tore hinaus.
    Weil nun mein Litauer so außerordentlich geschwind war, so war ich der Vorderste beim Nachsetzen, und da ich sah, dass der Feind so hübsch zum gegenseitigen Tore wieder hinausfloh, so hielt ich es für ratsam, auf dem Marktplatze anzuhalten und da zum Rendezvous blasen zu lassen. Ich hielt an, aber stellt euch, Ihr Herren, mein Erstaunen vor, als ich weder Trompeter noch irgendeine lebendige Seele von meinen Husaren um mich sah. – »Sprengen sie etwa durch andere Straßen? Oder was ist aus ihnen geworden?«, dachte ich. Indessen konnten sie meiner Meinung nach unmöglich fern sein und mussten mich bald einholen. In dieser Erwartung ritt ich meinen atemlosen Litauer zu einem Brunnen auf dem Marktplatze und ließ ihn trinken. Er soff ganz unmäßig und mit einem Heißdurst, der gar nicht zu löschen war. Allein das ging ganz natürlich zu. Denn als ich mich nach meinen Leuten umsah, was meint Ihr wohl, Ihr Herren, was ich da erblickte? – Das ganze Hinterteil des armen Tieres, Kreuz und Lenden waren fort und wie rein abgeschnitten. So lief denn hinten das Wasser eben so wieder heraus, als es von vorn hineingekommen war, ohne dass es dem Gaul zugutekam oder ihn erfrischte. Wie das zugegangen sein mochte, blieb mir ein völliges Rätsel, bis ich zum Stadttor zurückritt. Da sah ich nun, dass man, als ich mit dem fliehenden Feinde hereingedrungen war, das Schutzgatter, ohne dass ich es wahrgenommen, fallen gelassen hatte, wodurch denn das Hinterteil, das noch zuckend an der Außenseite des Tores lag, rein abgeschlagen war. Der Verlust würde unersetzlich gewesen sein, wenn nicht unser Kurschmied ein Mittel ausersonnen hätte, beide Teile, solange sie noch warm waren, wieder zusammenzusetzen. Er heftete sie nämlich mit jungen Lorbeersprösslingen, die gerade bei der Hand waren, zusammen. Die Wunde heilte zu; und es begab sich etwas, das nur einem so ruhmvollen Pferde begegnen konnte. Nämlich, die Sprossen schlugen Wurzel in seinem Leibe, wuchsen empor und wölbten eine Laube über mir, sodass ich hernach manchen ehrlichen Ritt im Schatten meiner sowohl als meines Rosses Lorbeeren tun konnte.
    Einer anderen kleinen Ungelegenheit von dieser Affäre will ich nur beiläufig erwähnen. Ich hatte so heftig, so lange, so unermüdet auf den Feind losgehauen, dass mein Arm dadurch endlich in eine unwillkürliche Bewegung des Hauens geraten war, welcher ich nicht mehr steuern konnte, als der Feind schon längst über alle Berge war. Um mich nun nicht selbst oder meine Leute, die mir zu nahe kamen, für nichts und wieder nichts zu prügeln und zu Ruhe und Schlaf zu gelangen, sah ich mich genötigt, meinen Arm etwa eine Woche lang in der Binde zu tragen, als ob er mir halb abgehauen gewesen wäre.
    Einem Manne, meine Herren, der einen Gaul, wie mein Litauer war, zu reiten vermochte, können Sie auch wohl noch ein anderes Voltigier- und Reiterstückchen zutrauen, welches außerdem vielleicht ein wenig fabelhaft klingen möchte. Wir belagerten nämlich, ich weiß nicht mehr welche Stadt, und dem Feldmarschall war ganz erstaunlich viel an genauer Kundschaft gelegen, wie die Sachen in der Festung stünden. Es schien äußerst schwer, ja

Weitere Kostenlose Bücher