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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Bordell. Mr. Fowler beäugte das Etablissement mit einiger Verzagtheit. Es wirkte nicht sonderlich einladend. Folglich war er angenehm überrascht, als auf das leise Klopfen des Kindes hin eine über die Maßen schöne Frau, die von dem Kind »Miss Miriam« genannt wurde, die Tür öffnete. Fowler trat ein, und in der Halle sah er, daß dieses Haus nicht eines jener vulgären Etablissements war, in denen man die Betten für 5 Shilling pro Stunde vermietete und in denen der Eigentümer mit einem Stock gegen die Tür schlug, wenn die Zeit abgelaufen war. Ganz im Gegenteil, hier zeugte die gesamte Einrichtung von Geschmack und Qualität: üppiger Samt, schwere Vorhänge und feine Perserteppiche bestimmten das Bild. Außerordentlich würdevoll erbat Miss Miriam 105 Pfund. Ihre Manieren zeugten so unmißverständlich von guter Herkunft, daß Fowler ohne weiteres den geforderten Preis bezahlte. Dann begab er sich mit dem kleinen Mädchen, das Sarah hieß, sogleich nach oben.
    Sarah erklärte, sie sei vor kurzem aus Derbyshire nach London gekommen und ihre Eltern seien tot. Ein älterer Bruder kämpfe auf der Krim, und ein jüngerer sei im Armenhaus. Sie sprach fast fröhlich von diesen Dingen.
    Fowler glaubte, daß sie damit ihre Aufregung zu verbergen suchte. Zweifellos hatte sie Angst vor ihrem ersten Erlebnis, und er nahm sich vor, recht sanft mit ihr zu sein.
    Der Raum, den sie betraten, war ebenso superb eingerichtet wie der Empfangsraum im Parterre. Rote Farbtöne herrschten vor, die Möbel wirkten elegant, und in der Luft lag ein Hauch von Jasmin. Fowler sah sich kurz um. Man konnte ja nicht vorsichtig genug sein. Dann verriegelte er die Tür und wandte sich dem Mädchen zu.
    »So, da wären wir«, sagte er.
    »Sir?«
    »Nun denn …« sagte er. »Wollen wir, hm, ich meine …«
    »Aber ja, natürlich, Sir«, sagte sie, und damit begann das einfache Kind, ihn zu entkleiden. Es war für ihn eine außerordentliche Erfahrung, hier mitten in diesem eleganten, ja nahezu décadent wirkenden Raum zu stehen und vor sich ein kleines Kind zu sehen, das ihm kaum über die Hüfte reichte und sich mit den kleinen Fingern an seinen Knöpfen zu schaffen machte, um ihn auszuziehen. Es war so überwältigend, daß er es mit sich geschehen ließ. Bald stand er nackt da, während sie noch ihre Kleidung anhatte.
    »Was ist das?« fragte sie und berührte einen Schlüssel, den er an einer silbernen Kette um den Hals trug.
    »Ach, das … äh, nur ein Schlüssel«, erwiderte er.
    »Am besten nehmen Sie ihn ab«, sagte sie. »Er könnte dabei stören.«
    Er nahm ihn ab. Sie drehte die Gasflamme herunter und entkleidete sich. Die nächsten ein, zwei Stunden waren für Henry Fowler ein magisches Erlebnis, eine so unerhörte, so überwältigende Erfahrung, daß er sein schmerzhaftes Leiden völlig vergaß. Er nahm auch ganz gewiß nicht wahr, daß eine vorsichtige Hand hinter dem schweren Samtvorhang hervorlangte und den Schlüssel, der auf seinen Kleidern lag, an sich nahm. Und ebensowenig bemerkte er, daß der Schlüssel kurze Zeit später wieder zurückgelegt wurde.
    »Oh, Sir«, entfuhr es ihr im entscheidenden Augenblick mit einem spitzen kleinen Schrei. »Oh, Sir !«
    Einen kurzen Moment lang war Henry Fowler von mehr Leben und Erregung erfüllt als je zuvor in seinen 47 Jahren.

Die Kröte vor der Tür
    Die Leichtigkeit, mit der Pierce und seine Komplizen die beiden ersten Schlüssel an sich gebracht hatten, erfüllte sie mit einem Gefühl der Zuversicht, das sich jedoch bald als trügerisch erweisen sollte. Fast unmittelbar nachdem sie Mr. Fowlers Schlüssel an sich gebracht hatten, tauchten völlig unerwartete Schwierigkeiten auf. Die South Eastern Railway verstärkte ihre Sicherheitsvorkehrungen im London Bridge-Bahnhof.
    Die Bande beauftragte Miss Miriam, die Bahnhofsbüros zu beobachten. Ende Dezember brachte sie schlechte Nachrichten.
    Bei einem Treffen in Pierce’ Haus, bei dem auch Agar anwesend war, berichtete sie, die Eisenbahngesellschaft habe einen Wachmann eingestellt, der die Räume bei Nacht bewache.
    Da sie geplant hatten, bei Nacht einzudringen, war das in der Tat eine böse Neuigkeit. Agar zufolge soll Pierce seine Enttäuschung jedoch rasch überwunden haben.
    »Wie sieht sein Dienstplan aus?« fragte Pierce.
    »Er kommt jeden Abend bei Büroschluß, pünktlich um sieben«, erklärte Miss Miriam.
    »Und was für ein Bursche ist er?«
    »Ein waschechter Polizist«, erwiderte sie. »Etwa vierzig, würde ich sagen.

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