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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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übernehmen. Er spielte den »Sänger«. Sein Text lautete: »Haltet den Dieb!« Er trug ebenso wie Miss Miriam neben ihm Reisekleidung. Miss Miriam war die »Diva«.
    Einige Schritte entfernt stand der »Schurke«, ein neun Jahre alter Junge in abgerissener Kleidung, der in dieser Menge von Erster-Klasse-Reisenden reichlich deplaziert wirkte. Pierce hatte den Jungen höchstpersönlich unter zwölf Kindern im Heiligen Land ausgewählt. Seine Schnelligkeit und nichts weiter war das Kriterium für seine Wahl gewesen.
    Noch weiter entfernt stand der »Polizist«, Barlow. Er trug die Uniform eines Konstablers und hatte sich den Helm tief in die Stirn gedrückt, um seine weiße Narbe zu verbergen.
    Das Libretto sah vor, daß Barlow den Jungen entwischen ließ.
    Schließlich, nicht weit vom Büro der Bahngesellschaft entfernt, stand der wichtigste Mann des Unternehmens. Agar, der sich als feiner Herr herausgeputzt hatte.
    Als der Elf-Uhr-Zug der London & Greenwich abfahrbereit war, kratzte sich Pierce mit der linken Hand den Nacken.
    Sofort kam der Junge angelaufen. Er rempelte Miss Miriam an und machte sich rechts an ihrem purpurfarbenem Samtkleid zu schaffen. Miss Miriam schrie auf: »John, man hat mich beraubt!«
    Pierce erhob die Stimme: »Haltet den Dieb!« rief er und rannte hinter dem flüchtenden Jungen her. »Haltet den Dieb!« Die aufgeschreckten Reisenden in der Nähe des Paars versuchten, den Jungen festzuhalten, aber dieser war flink und gewandt, riß sich immer wieder los und rannte auf den Bahnsteig am Ende der Halle zu.
    Dort trat Barlow in seiner Polizeiuniform drohend vor.
    Agar – als Herr mit Bürgersinn – beteiligte sich ebenfalls an der Verfolgung. Der Junge sah sich in der Falle. Seine einzige Rettung lag in dem verzweifelten Versuch, über die Treppe zum Büro der Bahngesellschaft zu entkommen.
    Der Junge lief mit äußerster Schnelligkeit hinauf. Barlow, Agar und Pierce blieben ihm dicht auf den Fersen.
    Man hatte dem Jungen genaue Instruktionen gegeben: Er sollte die Treppe hinauf rennen, ins Büro hineinlaufen, an dem Tisch der Angestellten vorbei bis zu einem hohen Fenster, das auf das Bahnhofsdach hinausging. Dort sollte er mit der Hand die Scheibe einschlagen, als unternähme er einen letzten verzweifelten Versuch zu entkommen.
    Dann sollte Barlow ihn festnehmen. Der Junge hatte aber vor der Festnahme durch Barlow noch erbitterten Widerstand zu leisten. Das Anlegen der Handschellen durch Barlow war für den Jungen das Signal, daß seine Rolle beendet war.
    Der Junge polterte durch die Tür ins Büro der South Eastern Railway. Die Angestellten fuhren erschreckt zusammen. Unmittelbar darauf stürzte Pierce herein.
    »Haltet ihn, er ist ein Dieb!« rief Pierce und rannte hinter dem Jungen her, wobei er einen der Angestellten zu Fall brachte. Der Junge lief auf das Fenster zu. Jetzt kam Barlow, der Polizeibeamte, hereingeeilt.
    »Ich nehme diese Sache in die Hand«, sagte er in barschem Befehlston, bewegte sich aber so ungeschickt, daß er einen Schreibtisch umstieß. Papiere flatterten zu Boden.
    »Fangt ihn! Fangt ihn!« rief Agar, der als letzter hereingestürmt kam.
    Jetzt stand der Junge bereits auf einem Schreibtisch und reckte sich nach einem schmalen, hohen Fenster. Er schlug mit seiner kleinen Faust die Scheibe ein und verletzte sich dabei. Der Fahrdienstleister sagte unentwegt: »Ach du liebe Güte!
    Ach du liebe Güte!«
    »Ich vertrete das Gesetz, machen Sie Platz!« rief Barlow.
    »Haltet ihn!« schrie Pierce, der seiner Stimme einen hysterischen Unterton verlieh. »Haltet ihn fest, er verschwindet durchs Fenster!«
    Glasscherben klirrten, und Barlow und der Junge wälzten sich kämpfend auf dem Fußboden. Das Gerangel dauerte länger, als man den Gegebenheiten zufolge hätte erwarten können. Die Angestellten und der Fahrdienstleiter sahen in bestürzter Verwirrung zu.
    Niemand bemerkte, daß Agar dem Schauplatz den Rücken gekehrt hatte und sich an der Eingangstür des Büros zu schaffen machte. Er probierte verschiedene seiner an einem Ring befestigten Dietriche aus, bis er denjenigen gefunden hatte, der zum Schloß paßte. Es fiel auch niemandem auf, als Agar sich nun dem kleinen Wandschränkchen zuwandte und blitzschnell einen Dietrich nach dem anderen ausprobierte, bis er den passenden gefunden hatte.
    Drei oder vier Minuten waren vergangen, als der junge Dieb, der sich immer wieder den Griffen des Konstablers entwand, von Pierce endlich mit fester Hand gepackt wurde. Der

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