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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Fahrer ihrer Droschke gehabt habe, »einen üblen Halsabschneider mit einer weißen Narbe auf der Stirn«. Als er, Farrell, eingegriffen habe, sei der Kutscher über ihn hergefallen und habe ihn unter lauten Flüchen und Verwünschungen mit einem Totschläger zusammengeprügelt. Als er wieder zu sich gekommen sei, habe er feststellen müssen, daß man ihn sogar seiner Uniform beraubt hatte.
    Im Jahre 1854 machten sich viele der in den Städten wohnenden Engländer Sorgen über die zunehmende Straßenkriminalität. Die periodisch auftretenden »Epidemien« an Gewaltakten auf den Straßen kulminierten schließlich, in den Jahren 1862 und 1863, in einer regelrechten Panik der Fußgänger, die sich abends und nachts kaum mehr auf die Straßen wagten, und in der Verabschiedung des »Garrotting Act« durch das Parlament. Dieses Gesetz sah ungewöhnlich harte Strafen für Gesetzesbrecher vor, so zum Beispiel das Auspeitschen »auf Raten« – damit der Häftling sich etwas erholen konnte, bis die Prügelstrafe fortgesetzt wurde – und den Tod durch Erhängen. Im Jahre 1863 wurden in England denn auch mehr Menschen durch den Strang hingerichtet als in irgendeinem Jahr seit 1838.
    Brutale Straßenkriminalität war die unterste Stufe krimineller Tätigkeit überhaupt. Straßenräuber und Wegelagerer wurden von anderen Verbrechern oft verabscheut, denn diese schreckten meist vor Gewaltanwendung zurück.
    Die übliche Methode des Straßenraubs bestand darin, sich ein vorzugsweise betrunkenes Opfer zu suchen, das man durch einen Komplicen, besser noch eine Komplicin, in eine dunkle Ecke locken ließ, wo man dann mit einem Knüppel auf das Opfer einschlug, es ausraubte und schließlich in der Gosse liegen ließ. Wahrlich keine elegante Art, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
    Die finsteren Details solcher Überfälle waren das tägliche Brot damaliger Reporter. Offensichtlich hat niemand angesichts der seltsamen Umstände des Überfalls auf Konstabler Farrell gestutzt, obwohl das Verbrechen bei näherem Hinsehen keinen rechten Sinn ergab. Damals – wie auch heute noch – versuchte jeder Verbrecher, einen Zusammenstoß mit der Polizei möglichst zu vermeiden. Wer einem »Greifer« zu nahe trat, riskierte es, überall in der Stadt gejagt zu werden. Die Razzien hörten nicht auf, bis der Übeltäter gefaßt war. In solchen Fällen ließ die Polizei nicht mit sich spaßen.
    Es gab auch keinen einleuchtenden Grund, einen Polizeibeamten zu überfallen. Er war eher als irgendein harmloser Passant in der Lage, sich zu verteidigen, und hatte meist nur wenig Geld bei sich, manchmal gar keins.
    Und was für einen Sinn sollte es haben, einem Polizeibeamten seine Uniform zu rauben? Es war zwar nichts Ungewöhnliches, daß Leute ihrer Kleidung beraubt wurden, doch meist taten das alte Frauen, die Kinder in eine dunkle Gasse lockten und ihnen alles auszogen, um die Kleidung an einen Trödler zu verkaufen. Die Uniform eines Polizisten aber ließ sich unmöglich an einen Trödler verkaufen, zumal die Trödlerläden ständig überwacht wurden. Eine Polizeiuniform war wohl das einzige Kleidungsstück überhaupt, das in ganz London nicht den geringsten Wiederverkaufswert besaß.
    Der Überfall auf den Konstabler Farrell mußte danach absolut sinnlos erscheinen, und man mußte sich wundern, daß sich niemand fragte, wieso es überhaupt dazu gekommen war.

Ein Auftrag für einen Pferdedieb
    Irgendwann Ende Dezember 1854 begegnete Pierce im Gasthaus »Schwert und Krone«, das sich in der Nähe der Regent Street befand, einem Mann namens Andrew Taggert. Taggert ging zu dieser Zeit auf die Sechzig zu und war in der Nachbarschaft wohlbekannt. Er hatte eine lange, abwechslungsreiche Laufbahn hinter sich, die es verdient, hier kurz geschildert zu werden. Er ist nämlich einer der wenigen Teilnehmer am großen Eisenbahnraub, deren Vergangenheit bekannt ist.
    Taggert wurde um 1790 in der Nähe von Liverpool geboren und kam kurz vor der Jahrhundertwende mit seiner unverheirateten Mutter, einer Prostituierten, nach London. Im Alter von zehn Jahren betätigte er sich im »Auferstehungsgewerbe«, mit anderen Worten als Leichenräuber. Die Leichenräuber gruben frisch beerdigte Leichen aus und verkauften sie an die Anatomie der Universitäten. Taggert hatte sich schon früh den Ruf erworben, besonders waghalsig zu sein. Es heißt, er habe einst einen Peger am hellichten Tag quer durch London gefahren. Der Leichnam habe wie ein Fahrgast aufgerichtet auf

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