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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Konstabler gab dem kleinen Übeltäter eine kräftige Ohrfeige, worauf der Junge die gestohlene Geldbörse herausgab. Der Konstabler legte ihm Handschellen an und führte ihn ab. Pierce klopfte sich mit der Hand den Staub vom Anzug und sah sich in dem verwüsteten Büro um. Er drückte dem Fahrdienstleiter und den Angestellten sein Bedauern aus.
    Der andere Herr, der sich ebenfalls an der Verfolgungsjagd beteiligt hatte, sprach ihn an: »Ich fürchte, Sir, Sie haben Ihren Zug versäumt.«
    »Mein Gott, das habe ich!« erwiderte Pierce. »Dieser verdammte kleine Schlingel.«
    Damit verabschiedeten sich die beiden Herren. Der eine dankte dem andern für seine tatkräftige Hilfe beim Einfangen des Diebes. Der andere sagte, daß sei nicht der Rede wert. Das Aufräumen des Durcheinanders überließen sie den Angestellten der Bahngesellschaft.
    Es war, so dachte Pierce später amüsiert, eine vortrefflich inszenierte »komische Oper« gewesen.

Eine Frage von Se k unden
    Als Sauber-Willy am späten Nachmittag des 9. Januar 1855 Pierce’ Haus betrat, sah er sich im Wohnzimmer mit einem seltsamen Schauspiel konfrontiert.
    Pierce, der eine Hausjacke aus rotem Samt trug, saß bequem in einem Lehnsessel und rauchte gemütlich eine Zigarre. In der Hand hielt er eine Stoppuhr.
    Agar bot einen grellen Gegensatz zu diesem Bild des Friedens. Er stand in Hemdsärmeln mitten im Zimmer, sozusagen auf dem Sprung. Er behielt Pierce im Auge und keuchte leicht.
    »Sind Sie bereit?« fragte Pierce. Agar nickte.
    »Los!« sagte Pierce und drückte auf den Knopf der Uhr.
    Zu Sauber-Willys Verblüffung rannte Agar jetzt quer durch den Raum zum Kamin, wo er auf der Stelle trat und leise flüsternd die Lippen bewegte: »… sieben … acht … neun …«
    »Das wär’s!« sagte Pierce. »Die Tür!«
    »Die Tür!« wiederholte Agar und öffnete pantomimisch eine unsichtbare Tür. Dann trat er drei Schritte nach rechts und langte mit der Hand in Schulterhöhe nach irgendeinem Punkt in der Luft.
    »Wandschrank«, sagte Pierce.
    »Wandschrank …«
    Jetzt fischte Agar zwei Wachsplättchen aus der Tasche und tat so, als machte er einen Abdruck. »Zeit?« fragte er.
    »Einunddreißig«, sagte Pierce.
    Agar tat so, als machte er einen zweiten Wachsabdruck mit einem frischen Satz von Wachsplättchen. Dabei zählte er weiter: »Dreiunddreißig, vierunddreißig, fünfunddreißig …«
    Dann langte Agar wieder mit beiden Händen in die Luft, als ob er irgend etwas abschlösse.
    »Wandschrank abgeschlossen!« sagte er und ging die Schritte zurück. »Tür!«
    »Vierundfünfzig«, sagte Pierce.
    »Treppe!« sagte Agar und trat wiederum auf der Stelle.
    Dann machte er einige gewaltige Sätze und blieb neben Pierces Sessel stehen. »Geschafft!« rief er aus.
    Pierce sah auf seine Uhr und schüttelte den Kopf. »Neunundsechzig.« Er paffte an seiner Zigarre.
    »Und wenn schon«, sagte Agar verletzt. »Immer noch besser als beim letztenmal. Wie war die Zeit?«
    »Beim letztenmal haben Sie’s in dreiundsiebzig Sekunden geschafft.«
    »Na bitte, ist doch schon besser …«
    »… aber nicht gut genug. Vielleicht sollten Sie den Wandschrank geöffnet lassen. Hängen Sie auch die Schlüssel nicht wieder hin. Das kann Willy erledigen.«
    »Was kann ich erledigen?« fragte Willy.
    »Den Wandschrank öffnen und schließen«, erwiderte Pierce. Agar ging auf seine Startposition zurück.
    »Fertig?« frage Pierce.
    »Fertig«, sagte Agar.
    Die seltsame Scharade wurde wiederholt. Agar rannte quer durch den Raum, trat auf der Stelle, gab vor, eine Tür zu öffnen, tat drei Schritte, schloß eine Tür, trat auf der Stelle und rannte dann wieder quer durchs Zimmer.
    »Zeit?«
    Pierce lächelte. »Dreiundsechzig«, sagte er. Agar grinste breit und schnappte nach Luft.
    »Noch einmal«, sagte Pierce. »Um ganz sicher zu gehen.«
    Später am Nachmittag wurde Sauber-Willy eingeweiht.
    »Heute abend ist es soweit«, sagte Pierce. »Wenn es dunkel ist, gehen Sie zur London Bridge und von dort zum Bahnhof. Sie müssen dort aufs Dach. Ist das ein Problem für Sie?« Sauber-Willy schüttelte den Kopf. »Und was dann?«
    »Wenn Sie auf dem Dach sind, werden Sie eine zerbrochene Fensterscheibe sehen. Es ist ein Fenster vom Büro des Fahrdienstleiters der SER, ein kleines Fenster, kaum einen Quadratfuß groß. Dort steigen Sie ein.«
    »Und was dann?«
    »Dann werden Sie einen grüngestrichenen Wandschrank erblicken.« Pierce betrachtete den kleinen Mann. »Sie werden sich auf einen

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