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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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sagte: »Vielleicht ist Miss Lawson wie Sie der Meinung, daß ein Abteil weiter vorn angenehmer wäre?«
    Bevor das Mädchen etwas sagen konnte, versetzte Fowler:
    »Was? Und sie Ihnen einfach wegzunehmen, so daß Sie mutterseelenallein dasitzen? Kommt nicht in Frage. Kommen Sie, kommen Sie, der Zug fährt gleich ab. Wo ist Ihr Abteil?«
    Sie gingen am Zug entlang zu Pierce’ Abteil. Fowler war bester Laune und schwatzte unaufhörlich über Ärzte und ihre Schwächen. Sie stiegen in Pierce’ Abteil ein und schlossen die Tür. Pierce warf einen Blick auf die Uhr. Es war sechs Minuten vor acht. Der Zug fuhr zwar nicht immer genau nach Fahrplan ab, aber selbst dann wurde die Zeit knapp genug.
    Er mußte Fowler loswerden. Pierce konnte nicht das Abteil verlassen und aufs Dach steigen, wenn ein Fremder sich im Abteil befand, zumal wenn es ein Mann von der Bank war.
    Andererseits aber mußte Pierce Fowler auf eine Art loswerden, die keinen Verdacht erregte. Irgendwann nach dem Raub würde Mr. Fowler sein Gedächtnis befragen – und wahrscheinlich auch von der Polizei gehört werden –, um sich auch an die kleinste Besonderheit dieses Tages zu erinnern, die einen Hinweis auf die Täter liefern könnte.
    Mr. Fowler redete immer noch, konzentrierte seine Bemühungen nun aber auf das Mädchen, das ihm verzückt und verzaubert zuzuhören schien. »Das nenne ich wirklich außergewöhnliches Glück, daß mir Edward ausgerechnet heute über den Weg läuft. Reisen Sie oft auf dieser Strecke, Edward? Ich selbst fahre hier nur einmal im Monat. Und Sie, Miss Lawson?«
    »Ich bin auch schon mit der Eisenbahn gefahren«, sagte das Mädchen, »aber Erster Klasse noch nie. Diesmal hat meine Herrschaft mir ein Billett für die Erste Klasse gekauft. Sie meinte … Sie wissen ja …«
    »Verstehe, verstehe durchaus«, sagte Fowler munter und ein bißchen forsch. »Man muß seinen Mitmenschen in Zeiten seelischer Belastung helfen, wo man kann. Ich muß zugeben, daß heute morgen auch auf mir etwas lastet. Edward weiß sicher schon, was ich meine, denn er hat den Grund meiner Reise sicher schon erraten. Nicht wahr, Edward?«
    Pierce hatte nicht zugehört. Er starrte aus dem Fenster und überlegte fieberhaft, wie er Fowler in den wenigen verbleibenden Minuten loswerden sollte. Er sah zu Fowler hinüber.
    »Glauben Sie, Ihr Gepäck ist gut aufgehoben?« fragte er.
    »Mein Gepäck? Sie meinen, in meinem Abteil? Ich habe gar kein Gepäck, Edward. Nicht einmal eine Tasche mit Akten. Ich werde nur zwei Stunden in Folkestone bleiben, und das reicht kaum für ein anständiges Essen oder ein paar Erfrischungen oder für eine gute Zigarre, bevor ich wieder im Zug sitze und zurückfahre.«
    Zigarre, dachte Pierce. Ah, natürlich. Er griff in seine Jackentasche, zog eine lange Zigarre heraus und zündete sie sich an.
    »Nun zu Ihnen, mein gutes Kind«, sagte Fowler. »Unser Freund Edward hat natürlich schon eine Vermutung, was den Zweck meiner Reise betrifft, aber ich nehme an, daß Sie noch im dunkeln tappen.«
    Das Mädchen starrte Mr. Fowler mit leicht geöffnetem Mund an.
    »In Wirklichkeit ist das hier kein gewöhnlicher Zug, und ich bin auch kein gewöhnlicher Passagier. Nein, ich bin nämlich Direktor der Huddleston & Bradford-Bank in Westminster, und heute, in diesem Zug – keine zweihundert Schritt von hier entfernt –, reist eine Goldsendung meiner Bank mit, die für unsere tapferen Soldaten auf der Krim bestimmt ist. Stellen Sie sich vor, Gold im Wert von über 12.000 Pfund, mein liebes Kind.«
    »Du meine Güte!« rief das Mädchen. »Und Sie sind für all das verantwortlich?«
    »Das bin ich in der Tat«, sagte Henry Fowler mit selbstzufriedener Miene. Er hatte das einfache Mädchen mit seinen Worten offensichtlich tief beeindruckt, und jetzt saß sie da und betrachtete ihn voller Bewunderung. Wer weiß, wer weiß? Seinen Freund Pierce schien sie jedenfalls völlig vergessen zu haben.
    Nur so lange, bis Pierce’ Zigarrenrauch in grauen Wolken durchs Abteil waberte. Jetzt fing das Mädchen an, verstohlen, aber doch absichtsvoll zu hüsteln. Das mochte sie ihrer Herrin abgeguckt haben. Pierce, der zum Fenster hinausstarrte, schien es nicht zu bemerken.
    Das Mädchen hustete wieder, diesmal etwas kräftiger.
    Als Pierce noch immer keine Notiz davon nahm, ergriff Fowler die Initiative. »Geht es Ihnen nicht gut?« fragte er.
    »Mir ging’s schon wieder gut. Aber ich bin noch so schwach …« Sie wies mit einer Handbewegung auf die

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