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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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ertönte.
    Pierce blickte nach vorn und sah den Cuckseys-Tunnel: Sekunden später wurde er von der Dunkelheit verschluckt und hörte nur noch das Fauchen der Lokomotive und das Rattern der Räder. Der Tunnel war eine halbe Meile lang.
    Als der Zug endlich wieder ins Sonnenlicht hinausfuhr, setzte Pierce seine Arbeit fort und stellte erleichtert fest, daß einer der Schlüssel fast augenblicklich das Schloß öffnete.
    Das Schloß abzunehmen, den Querriegel zurückzuschieben war für Pierce jetzt ein leichtes. Dann bearbeitete er die Schiebetür so lange mit den Füßen, bis Burgess sie öffnete. Der Morgenzug fuhr jetzt durch das verschlafene Städtchen Godstone, aber niemand bemerkte den an einem Seil hängenden Mann, der gerade in das Innere des Packwagens schlüpfte und dort im Zustand völliger Erschöpfung zusammenbrach.

Kleidersorgen
    Agar sagte vor Gericht aus, weder er noch Burgess hätten Pierce im ersten Augenblick erkannt, als dieser sich in den Gepäckwagen schwang: »Ich gucke ihn mir an, und glauben Sie mir, ich halt ihn zuerst für so einen verdammten Inder oder Nigger, so schwarz ist er, und seine Kledasche ist völlig zerfetzt, als käme er von ‘ner Keilerei. Sein Ponim sieht aus wie ‘n Flickenteppich, und da denke ich, denk ich mir doch, da hat der Schränker sich ‘nen neuen Gannew zugelegt, um die Sache zu machen. Und dann seh ich, er ist es tatsächlich selbst.«
    Die drei Männer müssen in der Tat ein makabres Bild geboten haben: Burgess, der Wachmann, sauber und ordentlich in seiner blauen Eisenbahneruniform; Agar, fein herausgeputzt in seinem besten Anzug, Gesicht und Hände leichengrün angemalt; und dann Pierce, auf Händen und Knien daliegend, keuchend, mit zerfetzter Kleidung und von Kopf bis Fuß kohlschwarz.
    Sie erholten sich aber schnell und arbeiteten konzentriert und zielbewußt. Agar hatte den Austausch vorgenommen; die Safes waren wieder verschlossen und bargen jetzt ihren neuen Schatz, Bleischrot; die fünf ledernen Taschen standen säuberlich aufgereiht an der Schiebetür, jede mit Goldbarren gefüllt.
    Pierce stand auf und zog seine Uhr aus der Weste, ein seltsam sauberes goldenes Ding, das gegen die rußgeschwärzte Uhrkette abstach. Er ließ den Deckel aufklappen: Es war acht Uhr siebenunddreißig.
    »Fünf Minuten«, sagte er.
    Agar nickte. In fünf Minuten würden sie auf dem einsamsten Abschnitt der Strecke dahinfahren. Pierce hatte Barlow angewiesen, dort zu warten und die Ledertaschen zu bergen. Pierce setzte sich hin und starrte durch die offene Schiebetür auf die vorübersausende Landschaft.
    »Geht’s Ihnen besser?« fragte Agar.
    »Danke, mir geht’s gut«, sagte Pierce. »Aber ich freue mich nicht gerade auf den Rückweg.«
    »Kann ich verstehen. Die Sache hat Sie ganz schön mitgenommen«, sagte Agar. »Sie sind vielleicht ‘n Anblick, also wirklich! Wollen Sie sich umziehen, wenn Sie wieder im Abteil sind?«
    Pierce, der noch immer schwer atmete, begriff nicht sogleich.
    »Umziehen?«
    »Na klar, Ihre Kledasche.« Agar grinste. »Wenn Sie in Folkestone in diesem Aufzug aussteigen, können Sie Eintrittsgeld verlangen.«
    Pierce betrachtete die grünen, sanft geschwungenen Hügel am Horizont, und er lauschte dem Rattern der Räder.
    Seine Kleidung war wirklich ein Problem, an das er nie ge dacht und für das er darum auch keine Vorsorge getroffen hatte. Aber Agar hatte recht: Er konnte in Folkestone unmöglich wie ein zerlumpter Schornsteinfeger aus dem Zug aussteigen, zumal mit Sicherheit Fowler nach ihm Ausschau halten würde, um sich zu verabschieden. »Ich habe nichts zum Wechseln«, sagte er leise.
    »Was?« fragte Agar, denn der Wind pfiff laut durch die offene Schiebetür.
    »Ich habe keine Sachen zum Umziehen mitgebracht«, sagte Pierce. »Ich hatte nicht damit gerechnet …« Er verstummte und zog die Stirn in Falten. »Ich habe keine anderen Sachen mit.«
    Agar lachte aus vollem Hals. »Na, dann können Sie ja die Vogelscheuche spielen, so wie Sie mich den Peger haben spielen lassen.« Agar klatschte sich auf die Knie. »Ha, ha! Das nenne ich ausgleichende Gerechtigkeit!«
    »Das ist gar nicht zum Lachen!« fauchte Pierce. »Ich habe Bekannte im Zug, die mich nachher mit Sicherheit sehen und sich wundern werden.«
    Agars Heiterkeit war im Nu dahin. Er kratzte sich mit seiner grünen Hand den Kopf. »Und diesen Bekannten würde es natürlich auffallen, wenn Sie nicht am Bahnhof wären, oder?«
    Pierce nickte.
    »Da sitzen Sie aber ganz schön in

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