Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
Anblick wohl denken würden, aber dann stand er auf und rannte los, lief weiter, sprang von einem Wagen zum nächsten, ohne zu zögern, obwohl der Rauch der Lokomotive ihn halb blind machte.
    Irgendwie schaffte er es, unversehrt zu seinem Erste-KlasseWagen zurückzukehren. Er schwang sich hinunter, öffnete die Tür und glitt in sein Abteil. Dort zog er sofort die Vorhänge zu. Der Zug rollte jetzt nur noch sehr langsam dahin, und als Pierce sich auf seinen Sitz fallen ließ, hörte er das Kreischen der Bremsen und den Ruf des Schaffners: »Ashford … Ashford … Ashford …« Pierce seufzte.
    Sie hatten es geschafft.

Endstation
    Siebenundzwanzig Minuten später lief der Zug in Folkestone ein, der Endstation der South Eastern Railway. Alle Reisenden stiegen aus. So auch Pierce. Er habe, so sagte er später, »weit besser ausgesehen, als ich es bei meinem Leichtsinn verdient hatte, aber mein Schneider wäre nicht mit mir zufrieden gewesen«.
    Obwohl er sich in aller Eile mit Taschentuch und Speichel Gesicht und Hände zu reinigen versucht hatte, war es ihm doch nicht gelungen, die Rußschicht ganz zu entfernen.
    Aber da er keinen Spiegel bei sich hatte, konnte er über sein Aussehen nur Vermutungen anstellen – seine Hände zumindest waren noch ziemlich grau. Außerdem hatte er den Verdacht, daß sein rotblondes Haar jetzt weit dunkler war als sonst, und er war dankbar dafür, daß sein Zylinder seinen Haarschopf weitgehend bedecken würde.
    Von dem Zylinder abgesehen paßte ihm alles, was er trug, nicht recht. Pierce hatte das äußerst unangenehme Gefühl aufzufallen, obwohl er ja in einer Zeit lebte, in der die meisten Menschen schlecht sitzende Kleidung trugen. Die Hose war, wie er fand, fast zwei Zoll zu kurz, und der Schnitt des recht eleganten Jacketts war von jener auffälligen Art, daß es wirklichen Herren neureich erscheinen mußte. Außerdem roch er peinlich nach toter Katze.
    So trat Pierce einigermaßen unsicher auf den überfüllten Bahnsteig von Folkestone. Er fürchtete, daß so mancher sich über seine Aufmachung mokieren würde. Es gab viele Männer, die sich vornehme Kleidung aus zweiter Hand besorgten und meinten, damit Herren geworden zu sein.
    Pierce wußte allerdings nur zu gut, daß Henry Fowler mit seinem feinen Gespür für soziale Unterschiede sofort bemerken würde, daß mit Pierces Erscheinung etwas nicht stimmte. Fowler würde sich fragen, woran es lag. Und er würde bald dahinterkommen, daß Pierce sich während der Fahrt umgezogen hatte, und dann würde er sich nach dem Grund dafür fragen.
    Pierce blieb nur eine Hoffnung: Es mußte ihm gelingen, sich Fowler vom Leib zu halten. Pierce hatte vor, sich mit einem Winken aus der Ferne zu verabschieden und eine Miene aufzusetzen, der man entnehmen mußte, daß er in Eile war und daß dringende Geschäfte es ihm nicht erlaubten, sich in aller Form zu verabschieden. Fowler würde dafür Verständnis haben. Pierce hoffte auch, daß seine Kleidung aus der Ferne und im Gedränge Fowler nicht so auffallen würde.
    Der Zufall wollte jedoch, daß Fowler sich an ihn herandrängte, bevor Pierce ihn noch entdeckt hatte. Fowler hatte das Mädchen in Schwarz neben sich und machte kein sehr glückliches Gesicht.
    »Hören Sie mal, Edward«, begann Fowler lebhaft, »ich wäre Ihnen ewig dankbar, wenn Sie …« Er verstummte mit offenem Mund.
    Ach du lieber Gott, dachte Pierce, jetzt ist es aus.
    »Edward«, sagte Fowler und starrte seinen Freund bestürzt an.
    Pierces Gehirn arbeitete fieberhaft. Er suchte nach Antworten auf die Fragen, die jetzt unvermeidlich kommen würden. Ihm brach der Schweiß aus.
    »Edward, mein Lieber, Sie sehen erschreckend aus!«
    »Ich weiß«, begann Pierce. »Wissen Sie …«
    »Sie sehen todkrank aus! Wirklich, Sie sind leichenblaß. Als Sie mir erzählten, das Eisenbahnfahren bekomme Ihnen nicht, ahnte ich natürlich nicht, daß Sie so … Was machen wir bloß mit Ihnen?«
    »Ach, es geht schon wieder«, sagte Pierce und seufzte. »Ich glaube, wenn ich erst einmal gegessen habe, werde ich mich besser fühlen.«
    »Ja, natürlich, Sie müssen sofort etwas essen, und ein kräftiger Schluck Brandy wird Ihnen nicht schaden! Das bringt den Kreislauf wieder in Schwung. Ich würde mich Ihnen ja gern anschließen, aber – ah, ich sehe gerade, das Gold wird schon ausgeladen. Ich muß mich leider darum kümmern. Darf ich mich entschuldigen? Geht es Ihnen auch wirklich besser?«
    »Ich weiß Ihre Fürsorge zu schätzen«, begann

Weitere Kostenlose Bücher