Der große Fetisch
Enttäuschung. Er tröstete sich jedoch mit dem Gedanken, daß man so nichts dagegen haben konnte, auch ihn trotz seines Aussehens für einen Philosophen zu halten.
Der Ausschuß, der das Streitgespräch vorbereiten sollte, traf sich nach dem Abendessen. Marko nahm mit den anderen Mitgliedern Platz. Er sah jedoch schon bald, daß er nur die Grundzüge der Lehre von der Herabkunft kannte und sich deshalb kaum nützlich machen konnte. Als er einmal einen Vorschlag machte, wandte man sich an ihn und sagte: »Ja, mein lieber Meister Prokopiu, aber wenn Sie heute nachmittag hier gewesen wären, würden Sie wissen, daß wir diesen Gedanken gleich zu Anfang durchgesprochen haben.«
Marko blieb also nichts anderes übrig, als stumm dabeizusitzen, während die Experten mit Ideen jonglierten. Sie waren eben mitten in einem Wortgefecht, als es klopfte. Herein kam Ulf Toskano und mit ihm ein bärtiger Mann in der Kleidung eines Arbeiters. Die Philosophen starrten die beiden an. Einer erhob sich und sagte: »Seid gegrüßt, Patriarch Yungbor. Was führt Eure Exzellenz in das Lager der Feinde?«
Stühle wurden zurückgeschoben, als die anderen ebenfalls das Haupt der Heiligen Eklektischen Kirche begrüßten. Obwohl viele der Philosophen, ihren Worten nach zu schließen, heftig gegen die Kirche eingestellt waren, benahmen sie sich doch aus Gewohnheit höflich.
Der ehrwürdige Pier Yungbor ließ sich am Ende des Tisches schwer in einen Stuhl fallen. Der Vorsitzende des Ausschusses, Ardur Mensenrat, sagte: »Wie seid Ihr hergekommen? Ich dachte, Ihresgleichen wäre auch hinter Schloß und Riegel gesetzt worden?«
Der Patriarch sagte: »Wenn die Herde treu ergeben ist, kann der Hirte mit unerwarteter Hilfe rechnen. Ich nehme an, die Herren bereiten sich auf das morgige Streitgespräch vor.«
»Genau«, sagte Mensenrat.
»Ich bin hier, um eine ungewöhnliche Bitte auszusprechen. Bevor ich zu ihr komme, lassen Sie mich sagen, daß ich, wie ich meine, die besten Gründe dafür habe. Sie nennen sich Philosophen. Sie sind stolz auf Ihren offenen Geist. Versuchen Sie, ihn offenzuhalten, bis Sie mich zu Ende angehört haben. Das wird schwierig sein.«
Er blickte von einem Gesicht zum anderen. Mensenrat sagte: »Fahren Sie fort, verehrter Herr.«
»Ich bitte Sie, sich auf ein abgekartetes Spiel mit uns einzulassen. Ich bitte Sie, im Streitgespräch absichtlich den Verlierer zu machen.«
Die Stille war fast unerträglich. Yungbor ließ die Augen ruhig von einem zum anderen wandern und fuhr fort: »Sie fragen sich natürlich, warum. Nun, es gibt zwei Gründe. Der erste ist praktischer Natur. Wir alle wissen, daß Alzander Mirabo seit langem plant, Krieg gegen Iveria zu führen. Genauer gesagt, möchte er das Äquatorgebirge überqueren und den Angriff durch die abgelegenen Provinzen vortragen. Wir wissen, daß die gegenwärtige Regierung von Iveria, geschwächt durch ständige Revolten, nie in der Lage sein wird, diesen Überfall abzuwehren.
Der Kazike ist ein närrischer alter Mann, der nur noch nicht umgebracht wurde, weil sich der ehrgeizige Klüngel um ihn noch nicht auf einen Nachfolger einigen konnte. Seine Provinz Sturia revoltiert seit Jahren offen gegen ihn. Er schickt seine Armeen nach Sturia, und die Soldaten verkaufen dem Feind alle Waffen und desertieren. Sie sehen, daß die Iverianer so gut wie nichts gegen die stärkste und disziplinierteste Armee der Welt ausrichten könnten.«
Ein Philosoph meinte: »Wäre unter diesen Umständen eine eropische Herrschaft dort nicht das Beste?«
»Nein, und zwar weil die Iverianer, auch wenn sie sich ständig gegenseitig verraten und umbringen, die Fremden noch mehr hassen und bis zum letzten Mann gegen sie kämpfen würden. Sie würden kurz zuschlagen, sich zurückziehen, einen Guerillakrieg führen. Der Prem würde Städte niederbrennen, Geiseln zur Vergeltung abschlachten und so weiter, und bald wären die meisten Iverianer nicht mehr am Leben, und wir würden auch beträchtliche Verluste erleiden.
Die Eklektische Kirche hat ihren ganzen Einfluß geltend gemacht, dieses Verbrechen zu verhindern. Bis jetzt haben wir uns die Glaubensgrundsätze des Prems zunutze gemacht, ihm die Hoffnung auf die Erde vor die Nase gehalten und ihm Angst vor dem Raum gemacht und ihn so zurückgehalten. Wenn er sich jetzt aber entschließt, zu glauben, daß wir nicht recht haben, was soll ihn dann noch abhalten?«
Er schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort: »Noch etwas. Wir haben mit der
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