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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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hab gleich nach dem Krieg das Vergnügen gehabt. Hab mich bloß eine Stunde lang mit ihm unterhalten, und schon wusste ich, dass ich’s mit einem Mann von vornehmer Herkunft zu tun hatte. Ich sachte mir: ›Das ist mal einer, den du gern mit nach Hause nehmen und deiner Mutter und deiner Schwester vorstellen würdest.‹« Er hielt inne. »Ich sehe, Sie betrachten meine Manschettenknöpfe.«
    Ich hatte sie nicht betrachtet, aber nun tat ich es. Sie waren aus seltsam vertraut anmutenden Elfenbeinstücken zusammengesetzt.
    »Erstklassige menschliche Backenzähne«, teilte er mir mit.
    »Tatsächlich!« Ich sah genauer hin. »Eine sehr interessante Idee.«
    »Tja.« Er ließ die Manschetten unter seinen Jackenärmeln verschwinden. »Tja, Gatsby ist sehr vorsichtig, was die Frauen angeht. Er würde es sich nie erlauben, die Frau eines Freundes auch nur anzuschauen.«
    Als das Objekt solch instinktiven Vertrauens an den Tisch zurückkehrte und sich setzte, trank Mr. Wolfshiem seinen Kaffee in einem Zug aus und stand auf.
    »Das war ein sehr schönes Mittagessen« sagte er, »aber nun will ich die beiden jungen Herren mal allein lassen. Ich bleib nich’ gern länger, als ich erwünscht bin.«
    »Kein Grund zur Eile, Meyer«, sagte Gatsby ohne großen Nachdruck. Mr. Wolfshiem hob die Hand wie zur Segnung.
    »Das ist sehr höflich von Ihnen, aber ich gehöre einer anderen Generation an«, verkündete er feierlich. »Sie bleiben schön hier sitzen und unterhalten sich über Ihren Sport und Ihre jungen Damen und Ihre…« Er fügte mit einer Handbewegung ein gedachtes Hauptwort hinzu. »Ich bin fünfzig Jahre alt und will Ihnen nicht länger zur Last fallen.«
    Als er uns die Hand schüttelte und sich abwandte, bebte seine tragische Nase. Ich fragte mich, ob ich irgendetwas gesagt hatte, wodurch er sich gekränkt fühlte.
    »Er wird manchmal sehr sentimental«, erklärte Gatsby. »Und heute ist einer seiner sentimentalen Tage. Er ist hier in New York bekannt wie ein bunter Hund – ein Stammgast am Broadway.«
    »Was ist er eigentlich – Schauspieler?«
    »Nein.«
    »Zahnarzt?«
    »Meyer Wolfshiem? Nein, der ist ein Spieler.« Gatsby zögerte; dann fügte er kühl hinzu: »Er war es, der 1919 die World’s Series manipuliert hat.«
    »Die World’s Series manipuliert?«, wiederholte ich.
    Das verschlug mir den Atem. Ich erinnerte mich natürlich daran, dass die World’s Series 1919 manipuliert worden war, aber ich hatte nie weiter darüber nachgedacht, sondern wohl irgendwie angenommen, dass es einfach so passiert war, das Resultat einer Kette von Ereignissen. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass ein einzelner Mann mit dem Vertrauen von fünfzig Millionen Menschen spielen könnte – zielstrebig wie ein Einbrecher, der einen Safe sprengt.
    »Wieso hat er das getan?«, fragte ich nach einer Weile.
    »Er hat einfach die Gelegenheit genutzt.«
    »Und warum sitzt er nicht im Gefängnis?«
    »Sie kriegen ihn nicht zu fassen, alter Knabe. Er ist clever.«
    Ich bestand darauf, die Rechnung zu bezahlen. Als der Kellner mir das Wechselgeld brachte, entdeckte ich auf der anderen Seite des vollbesetzten Raums Tom Buchanan.
    »Kommen Sie kurz mit mir«, sagte ich. »Ich muss jemanden begrüßen.«
    Als er uns sah, sprang Tom auf und kam uns mehrere Schritte entgegen.
    »Wo warst du die ganze Zeit?«, fragte er aufgeregt. »Daisy schäumt vor Wut, weil du dich nicht gemeldet hast.«
    »Darf ich vorstellen: Mr. Gatsby, Mr. Buchanan.«
    Sie schüttelten einander kurz die Hand, und ein gequälter, ungewohnter Ausdruck der Verlegenheit glitt über Gatsbys Gesicht.
    »Wie ist es dir ergangen?«, fragte mich Tom. »Wieso kommst du zum Essen in diese Gegend?«
    »Ich war mit Mr. Gatsby verabredet –«
    Ich drehte mich zu Mr. Gatsby um, doch er war nicht mehr da.
    Eines Tages im Oktober 1917 –
    (sagte Jordan Baker an jenem Nachmittag, während sie auf einem geraden Stuhl sehr gerade im Teegarten des Plaza-Hotels saß)
    – lief ich halb auf dem Gehweg, halb auf dem Rasen, ich weiß nicht mehr, wohin. Ich lief lieber auf Rasen, weil ich Schuhe aus England mit Gumminoppen trug, die sich in den weichen Boden gruben. Ich hatte auch einen neuen Faltenrock an, der ein wenig im Wind wehte, und jedes Mal, wenn das geschah, strafften sich die rot-weiß-blauen Fahnen vor allen Häusern und machten missbilligend ts-ts-ts-ts.
    Die größte Fahne und der größte Rasen gehörten zu Daisy Fays Haus. Sie war gerade achtzehn, zwei Jahre älter

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