Der große Gatsby (German Edition)
wohl dauern würde, bis er schuldenfrei wäre, und mit dem wievielten Exemplar darüber hinaus er das Geld einnehmen könnte, das ihn vom Zwang zum Lohnschreiben entbinden würde. Aus alldem wurde nichts. Die erste Auflage des Great Gatsby von gut 20000 Exemplaren wurde im Frühjahr und Sommer verkauft. Von den weiteren 3000 Stück, die Scribner’s im August drucken ließ, waren bei Fitzgeralds Tod fünfzehn Jahre später noch Exemplare am Lager. Daraus ergibt sich, dass der Autor weniger als 7000 Dollar Tantiemen erhielt. Schon im Winter 1925/26 war das Buch kommerziell tot. Fitzgerald mutmaßte, nicht nur der mittelmäßige Titel habe dem Großen Gatsby geschadet. Es gebe darin auch keine starke Frauenfigur, mit der sich die Leserinnen identifizieren könnten. Max Perkins fügte einen schlichteren, wohl zutreffenden Grund hinzu: Der Buchhandel hatte den Großen Gatsby seiner extremen Kürze wegen nicht gut aufgenommen. Die eleganten Buchdeckel enthielten nicht genug Roman. Was spätere Generationen begeistern sollte, die poetische Verdichtung der Prosa, war zum größten kommerziellen Nachteil geworden.
Merkwürdigerweise konnte weder die Bühnenfassung noch die Verfilmung, beide im Jahr 1926, den Verkauf des Großen Gatsby nennenswert ankurbeln. Fortan sprach der Markt über den Künstler F. Scott Fitzgerald ein unmissverständliches Urteil: Während er etwa im Jahr 1929 mit acht Erzählungen bei der Saturday Evening Post 30000 Dollar verdiente, brachten ihm sämtliche Buchrechte im selben Zeitraum nur 31,77 Dollar ein. Der große Gatsby schlug mit 5,10 Dollar zu Buche. Selbst ein ernsthaftes Kunstwerk wie der Roman Zärtlich ist die Nacht (1934) konnte nichts daran ändern. Sieben Monate vor seinem Tod, im Mai 1940, bat Fitzgerald seinen Lektor Perkins inständig, seine älteren Bücher nachzudrucken, um seinen Namen im öffentlichen Bewusstsein lebendig zu halten. Da sprach er von sich selbst und seiner Reputation schon in der Vergangenheitsform: »Aber so vollständig und auf so ungerechte Weise zu sterben, nachdem ich so viel gegeben habe. Selbst heutzutage wird in Amerika wenig veröffentlicht, was nicht ein wenig meinen Stempel trüge – im kleinen Maßstab war ich ein Original.«
Als Fitzgerald am 21. Dezember 1940 in Los Angeles starb, fielen die meisten Nachrufe knapp und herablassend aus. Das Wochenmagazin Time erwähnte weder den Großen Gatsby noch Zärtlich ist die Nacht. Ein Kommentar in der New York Times hielt bedauernd fest, Fitzgerald sei eben nie erwachsen geworden. Was die Leute zu sagen hatten, galt dem Repräsentanten der Zwanziger, dem verschlissenen Relikt einer versunkenen Ära. Ein Zeuge des Begräbnisses notierte, nur an den kleinen, faltigen Händen des Toten sei zu erkennen gewesen, dass Fitzgerald wie ein alter Mann gelitten habe und als alter Mann gestorben sei.
Dann begann das Nachleben seines Werks. Es wurde zu einer triumphalen Auferstehung. John Dos Passos widersprach dem nostalgischen Ton der Nekrologe, die in Fitzgerald einen Künstler sahen, der die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt habe. Der große Gatsby, schrieb der Schriftsteller, sei »einer der wenigen klassischen amerikanischen Romane«. Im Nachruf des St. Paul Dispatch, des Provinzblattes von Fitzgeralds Heimatstadt, wurde sogar die mutige These verfochten, nicht alle Nobelpreisträger für Literatur hätten so ein glänzendes Buch wie den Großen Gatsby geschrieben. Die eigentliche Wiederentdeckung des Romans wurde jedoch zur Sache der Verleger. Als Edmund Wilson, der Freund aus Princeton-Tagen, 1941 Fitzgeralds unvollendetes Werk The Last Tycoon (das nun innerhalb der Diogenes-Werkausgabe unter dem korrekten Titel Die Liebe des letzten Tycoons. Ein Western vorliegt) aus dem Nachlass herausgab, packte Scribner’s den Großen Gatsby einfach dazu, um das Interesse an einem der brillantesten Köpfe der zwanziger Jahre wieder anzufachen. Ein Jahr darauf riskierte der Verlag eine Nachauflage, und 1945 waren es schon fünf verschiedene Ausgaben und Nachdrucke, darunter eine Edition für die amerikanischen Streitkräfte.
Das Eis war gebrochen. Im selben Jahr brachte Edmund Wilson unter dem Titel The Crack-Up eine Sammlung von Fitzgeralds autobiographischen Essays und nachgelassenen Notizen heraus, zu denen er die Briefe gesellte, die T. S. Eliot, Edith Wharton und Gertrude Stein an den Autor des Großen Gatsby geschrieben hatten. Eliots Brief vom Dezember 1925 und besonders ein Satz darin – das Werk sei
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