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Der grosse Horizont

Der grosse Horizont

Titel: Der grosse Horizont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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bezahlt und stand neben ihm auf der Straße. Die Straße war uneben. Größere Flächen – mit dem Ziegelschutt eingestürzter oder abgerissener Häuser bedeckt – waren mit Drahtzäunen abgesperrt, und Reklameschilder, die keine Funktion mehr hatten, hingen von verwahrlosten, unverputzten Häusern.
    Haid sprach einen hageren Neger vor den beleuchteten Schaufenstern des APOLLO THEATRES an. Der Neger trug eine abgeschabte blaue Seemannsjacke und geblümte Hosen, beugte sich zu Haid herunter und wies ihm mit schlenkernden Gliedmaßen den Weg zu einer Bar. Da Haid nicht sofort verstand, begleitete er ihn unaufgefordert. Auf der Fahrbahn fuhren nur vereinzelt Autos, und die Gehsteige waren nahezu leer. Der Neger stellte ihm, während sie gingen, plötzlich einen anderen Neger vor. Irritiert hielt Haid an und streckte ihm die Hand hin. Er bemerkte, wie sehr ihn sein eigenes Verhalten verunsicherte, zog die Hand zurück und zündete sich eine Zigarette an. Seine Finger schwitzten. O’Maley, der bis dahin den Mund nicht aufgemacht hatte, herrschte den stämmigen Kleinen im nächsten Augenblick um seinen Namen an. Er tat dies in einer Polizistenmanier, die Haid wütend machte. Ihm fiel wieder ein, warum er sich hier befand, und er überlegte, wie er O’Maley herausfordern konnte. Währenddessen war der Kleine gehorsam stehengeblieben. Er trug eine olivgrüne Bluse und einen olivgrünen Regenhut vom Aussehen eines Babysonnenhutes. In einer Hand hielt er einen Damenregenschirm, den er jetzt vor Verlegenheit unter den Arm klemmte. Dabei warf er einen dümmlich schläfrigen Blick auf O’Maley, so als sei er gerade aus einem tiefen Schlaf erwacht. Nach dem Bruchteil einer Sekunde senkte er seinen Blick und kratzte sich mit dem Schirm am Kopf.
     
     
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    Auf einmal hatte Haid die Gewißheit, daß er durch seine Ängste und Verzweiflungen, seine Hoffnungen und seinen Haß hindurchgehen mußte, und daß er sie so tief in sich spüren mußte, daß er sich würde immer daran erinnern können. Er ließ seinen Blick über die rote Tapete hinter der Theke gleiten, versuchte, sich das Gesicht der Negerin hinter der Theke in allen Einzelheiten zu merken und die Gesichter der Neger, die ihn anstarrten. Er hatte keine Angst vor ihnen. Er hatte auch keine Angst empfunden, als O’Maley und er die Bar betreten hatten und es plötzlich still geworden war wie in einem Film und einer der Neger mit geöffnetem Mantel auf sie zugekommen war, um sich durchsuchen zu lassen. Was jetzt geschah, schien ihm nicht tatsächlich. Er sah ein Glas mit Eiswasser vor einem Neger stehen, sah O’Maley mit kleinen, aufmerksamen Augen, die Faust geballt, mit dem Rücken an der Wand lehnen, und er hatte den Eindruck, in einer klebrigen, glitschigen Flüssigkeit zu stehen. Er war nur noch müde, ohne daß die Müdigkeit ein Grund war, in das Hotel zurückzukehren. Er hatte zwischendurch vergessen, was ihn dazu bewogen hatte, O’Maley zu überreden, mit ihm zu kommen, und als es ihm wieder einfiel, handelte er nur noch automatisch. Er verfolgte keine Absichten mehr. Er bezahlte und ging auf die Straße. Der Kleine übergab sich auf der Fahrbahn. Ein langer dünner Schleimfaden hing aus seinem Mund, den er mit zwei Fingern abzwicken wollte, ohne daß es ihm zunächst gelang. Wie um sich vor Überlegungen zu schützen, was er als nächstes tun wollte, betrat Haid wieder eine Kneipe. Er wußte, daß die Dinge nicht so waren, wie er sie sah. Der Neger hinter der Bar, eine Brille auf der Nase, die geblümte Schürze um den Bauch, war nicht nur ein Neger in Harlem, die Gestalten, die ihn sofort musterten, waren nicht nur einfach verkommene Gestalten, sie zeigten ihm ununterbrochen etwas vor, eine Möglichkeit, die in ihm selbst genauso lag, wie sie in ihnen verkörpert war. Er blickte auf eine dunkelhäutige Hand, die aus einem Ärmel hervorlugte, und auf die gelbe Innenfläche, die ihn an eine umgedrehte Eidechse erinnerte. Der Kleine war hinter seiner Bierflasche eingeschlafen und wurde vom Barkeeper roh geweckt. Ein Neger mit Sonnenbrille gab vor, eine Zeitung zu lesen. Haid bemerkte, daß er dem Neger mit der Sonnenbrille ein Verhalten unterstellte. Warum sollte er nicht tatsächlich in der Zeitung lesen? Und warum sollte O’Maley nicht tatsächlich abwesend sein und nur den Abwesenden spielen? Der Kleine stand, als Haid wieder auf der Straße war, mit vom Erbrechen wäßrigen Augen auf dem Gehsteig und sprach mit sich selbst. Er verlangte eigensinnig,

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