Der grosse Horizont
am Apparat?«
»Ja«, sagte Haid.
»Ich sagte, Carson ist tot«, wiederholte Mehring.
»Ich weiß es«, antwortete Haid.
»Du wußtest es die ganze Zeit über?«
»Ja.«
»Sie war sehr krank, sie hatte mit dem Herzen zu tun.«
Wieder entstand eine lange Pause.
»Du bist davongelaufen?«, fragte Mehring.
»Ja.«
Er hörte Mehring atmen und konnte doch nicht mit ihm sprechen. Er hatte keine Worte für das, was er sagen wollte, und so hörte er zu, wie Mehring atmete und sprach nichts.
»Schreib mir darüber«, sagte Mehring plötzlich, »du brauchst keine Angst zu haben.«
»Ja«, antwortete Haid wieder. »Ich werde dir schreiben.«
»Ich habe eine Fotografie in Carsons Zimmer gefunden«, sagte Mehring nach einer Weile. »Ist es das Bild deiner Frau?«
»Ja«, antwortete Haid, »behalte es.«
62
Der nächste Tag war ein schöner Apriltag in New York. Haid saß auf einer Bank am Washington Square und sah den spielenden Kindern zu. Er hatte versucht, Christine zu sprechen, über den telefonischen Auftragsdienst jedoch erfahren, daß Mr. und Mrs. Jakubowski für einige Tage verreist waren. Ein kleiner Junge versteckte sich hinter der Bank, auf der Haid saß. Er war klein und mager. Über seiner Oberlippe hatte er eine frischvernarbte Schramme, und sein Haar stand von Wirbeln unterbrochen an seinem Hinterkopf in die Luft. Haid erinnerte sich an seinen Großvater, dessen Haare auch widerborstig in die Luft gestanden waren. Er gab seinem Einfall nach und betrachtete den Jungen, als sähe er seinem Großvater als Knaben zu. Als der Junge unter die Bank kroch und einen großen, ledernen Baseballhandschuh und eine Baseballmütze hervorholte und er nur den mageren, geschäftigen Hintern sah, überkam ihn Rührung. Der Junge kroch wieder unter der Bank hervor und lief, ohne einen Laut von sich zu geben durch den Park davon. Als er hinter einem Wohnblock verschwand, war Haid, als habe er einen langen Traum ausgeträumt. Er erhob sich und empfand plötzlich ein so starkes Gefühl von Liebe, daß er glaubte, es könne ihm nie mehr etwas geschehen.
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