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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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immer mit grünem Seidenbande durchzogen, wuchtete rund um den kleinen Kopf, und da, wenn die schlanke Geschmeidige sich anmutig und leicht bewegte und das schöne Haupt senkte, dies unwillkürlich die Vorstellung erregte, das Gewicht des dunklen Haarbundes verursache das liebliche Schwanken und Beugen, so rief sie von selbst das Bild einer Blume hervor; aber noch froher überraschte es, wenn sie sich unversehens frei aufrichtete und die schwere Krone so leicht und unbewußt trug wie ein schlanker Hirsch sein Geweih.
    In ihr geistiges Leben war noch kein sicherer Blick zu tun. Meist schien sie kindlicher zu sein, als es ihrem Mädchenalter eigentlich zukam; gelernt hatte sie auch nicht viel und las nicht gern, ausgenommen komische Erzählungen, wenn sie deren habhaft werden konnte; aber sie mußten gut, ja klassisch sein, und alsdann studierte sie dieselben sehr ernsthaft und verzog nicht den Mund.
    Manchmal schien sie entschieden beschränkten Verstandes und unbehilflich; sobald aber Ferdinand da war, überfloß sie von klarem kristallenem Witze, der noch in der Sonne der Kindheit funkelte, indessen ihre Augen eine reife Sinnenwärme ausstrahlten, wenn sie neckend und zärtlich an seinem Halse hing. Er durfte aber alsdann nicht wagen, sie kosend ebenfalls zu umfassen, wie er überhaupt sich leidend verhalten mußte, wenn er sie nicht erzürnen und von sich scheuchen wollte.
    Wie Ferdinand in das Haus gekommen, wußte er selber kaum mehr zu sagen; er hatte das seltene Gebilde im Rahmen des alten Fensters gesehen, und es war ihm nachtwandlerhaft gelungen, sich also gleich einzuführen und der tägliche Besucher zu werden.
    Aber bald mußte er in einen Zwiespalt mit sich selbst geraten, da das eigentümliche und rätselhafte Wesen nicht die gewohnte Art zuließ, das Glück bei Frauen zu erhaschen. Diese Erscheinung war zu köstlich, zu selten und zugleich zu kindlich und zu unbefangen, als daß sie durfte zum Gegenstande einer vorübergehenden Neigung gemacht werden, und auch wieder zu eigen und absonderlich unbestimmt, um gleich den Gedanken einer Verbindung für das Leben zu erlauben. Ferdinand sah, daß das Kind ihn liebte, und er fühlte auch, daß er ihr von Herzen gut war, noch über das leidenschaftliche Wohlgefallen hinaus, welches ihr Äußeres erregte; aber er glaubte überhaupt nicht an seine Liebe, er bildete sich ein, nicht dauernd lieben zu können oder zu dürfen, und wußte nicht, daß Liebe im Grunde leichter zu erhalten als auszulöschen ist; und gerade dieser verzweifelte Zweifel an sich selbst ließ keine tiefere Neigung in ihm reif werden.
    »Sie ist ein Phänomen!« sagte er sich und glaubte zu erschrecken bei dem Gedanken, sich für immer ein solches zu verbinden oder, einfach gesagt, ein Phänomen zur Frau zu haben. Und doch war es ihm unmöglich, nur einen Tag vorübergehen zu lassen, ohne das reizende Wunder zu sehen. Nun beschuldigte er sich wieder, daß solches Bedürfnis nur die geheime Begierde sei, die Blume zu brechen, um sie dann zu vergessen, und da er fest gewillt war, sich treu und ehrlich zu verhalten, schon aus einer Art von künstlerischem Gewissen die Verpflichtung fühlend, dies außergewöhnliche Dasein nicht zu verwirren und zu stören, so hielt er sich standhaft in seiner passiven Stellung und suchte derselben einen brüderlich freundschaftlichen Anstrich zu geben.
    Er behandelte sie mehr als Kind und nahm scheinbar ihre Liebkosungen als diejenigen einer kleinen Freundin hin, suchte sie zu unterrichten und nahm hin und wieder ein kaltes und ernsthaftes Ansehen an. Ängstlich vermied er, das Wort Liebe auszusprechen oder es zu veranlassen, und vermied, mit dem Mädchen allein zu sein. So glaubte er als ein Mann zu handeln und seiner Pflicht und Ehre zu genügen und ahnte nicht, daß er echt weiblich zu Werke ging. Denn er war nun wirklich auf dem Punkte angelangt, wo liebenswürdige und geistreiche Männer gerade so auf eigennützige Weise mit weiblichen Wesen spielen, wie es tugendhafte Koketten mit jungen Männern zu tun pflegen.
    Auch wußte das ärmste Kind ihm keinen Dank dafür. Sie achtete nicht auf seinen Unterricht und wurde traurig oder unmutig, wenn er die väterliche Art annahm. Hundertmal suchte sie das Wort auf Liebe und verliebte Dinge schüchtern zu lenken; allein er stellte sich, als kennte er dergleichen nicht, und der erwachende Trotz verschloß ihr den Mund. Hundertmal liebkoste sie ihn jetzt und hielt sich dann ein Weilchen geduckt und still, damit er das

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