Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
Kosen erwidern solle, und sie war nicht mehr bereit, zornig davonzufliehen; allein er rührte sich nicht und ertrug das ungeduldige Spiel des schmalen schlangenähnlichen Körpers mit der größten Standhaftigkeit. Dennoch sah die Arme recht gut, daß er mit ganz anderen Gefühlen zu ihr kam als mit denen eines Bruders oder schulmeisterlichen Freun des, und sah wohl das verhaltene Feuer in seinen Augen, wenn sie ihm nahe trat, und das unablässig betrachtende Wohlgefallen, wenn sie umherging; und sie war nur bekümmert, den Grund seines Betragens nicht zu kennen, und fürchtete, da sie die Welt nicht kannte, ihr verborgene, unheilvolle Dinge, die gar in ihr selbst lägen, dürften ihrem Glücke im Wege stehen.
In dem Maße aber, in welchem sie täglich verliebter und trauriger wurde, gewann ihr Wesen an Entschiedenheit und Klugheit, und im gleichen Maße wuchs die Verlegenheit Ferdinands; denn er sah nun ein, daß er nicht länger sich also verhalten durfte. Ihr verliebtes und sich hingebendes Wesen schreckte ihn durchaus nicht ab, weil er dessen Grund und Natur durchschaute und sie darum nur um so reizender fand; dagegen mußte er nun gestehen, daß wohl eine artige und köstliche Frau aus ihr zu machen wäre, und schüttelte sich innerlich bei dem Gedanken, sie je in eines andern Händen zu sehen, während der Unselige doch immer noch sich nicht entschließen konnte, seine Selbstherrlichkeit mit einem andern Wesen für immer zu teilen und noch für eine zweite Hälfte zu leben.
Beide Waagschalen standen sich vollkommen gleich, und das Zünglein seiner Unentschlossenheit schwebte still in der Mitte, als das Künstlerfest herannahte. Agnes sollte daran teilnehmen; Ferdinand war beflissen, ihre Gestalt vollends zu einem Feenmärchen zu machen, und faßte dabei den Vorsatz, es nunmehr darauf ankommen zu lassen, ob das Fest eine Entscheidung herbeiführe oder nicht; er wollte eine solche weder suchen noch ihr widerstehen; denn noch immer hielt er sich in seiner Selbstsucht für vollkommen frei. Wenn er aber das Mädchen nur ein einziges Mal geküßt habe, gab er sich das Wort, so solle sie unverbrüchlich die Seinige sein.
Agnes aber hatte einen ähnlichen Plan in ihrem Herzchen ausgesponnen, der indessen sehr einfach war. Sie gedachte, in einem geeigneten günstigen Augenblicke ohne weiteres mit ihren Armen den Geliebten zu umstricken und zum Geständnis seiner Neigung zu zwingen und, falls dies noch nicht hülfe, die Aufregung der Festfreude benutzend, ihn so mit Liebeschmeicheln zu berauschen und förmlich zu verführen, daß er das Opfer ihrer Unschuld nähme. Dieser verzweifelte Plan gor und rumorte in ihrem pochenden Busen, daß sie wie eine Träumende umherging und nicht einmal bemerkte, wie Ferdinand starr auf ihren jungen Busen hinsah, als er einen Augenblick beim Probieren der schimmernden Festgewänder entblößt wurde. Sie war in ihrer Unschuld fest überzeugt, daß Ferdinand, wenn ihr Plan gelänge, alsdann für immer der Ihrige würde.
In nicht so bedenklicher Lage befand sich Erikson, welchem sich alle Dinge, außer seinen Bildern, mühelos und körnig gestalteten; er schritt auch mit ausreichenden Weidmannsschritten, obwohl nicht ohne die nötige Behutsamkeit, durch sein Liebesverhältnis und auf das Teil zu, das er oder das Schicksal sich erwählt.
Eine reiche und schöne Brauerswitwe hatte bei der Verlosung der großen Gemäldeausstellung ein Bildchen von ihm gewonnen, welches ihm teuer bezahlt worden war. Die Dame stand nicht im Rufe einer besonderen Kunstfreundin, und Erikson hoffte, sie würde froh sein, ihm den Gewinst um einen ermäßigten Preis wieder abzutreten; er gedachte dann das Bild anderwärts zu versenden zu erhöhtem Preise und so abermals eine Summe einzunehmen, ohne der Qual und Mühsal des Erfindens und der Ausführung eines neuen Gegenstandes ausgesetzt zu sein. Diese Aussicht gewährte ihm so viel Vergnügen, daß er sich unverweilt aufmachte und mit dem Wunsche, alle seine sauern Arbeiten noch einmal und immer wieder verkaufen zu können, das Haus der Witwe aufsuchte.
Bald stand er auf dem Vorsaale des stattlichen Witwensitzes, dessen Pracht das Gerücht von dem unmäßigen hinterlassenen Vermögen des verstorbenen Bierbrauers zu bestätigen schien. Eine alte Aufwärterin, welcher er sein Anliegen mitteilen mußte, brachte ihm indessen gleich den Bericht, daß die Herrin das Bild mit Vergnügen wieder abtrete, daß er aber ein andermal vorsprechen möge. Weit entfernt, über
Weitere Kostenlose Bücher