Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
diese Willfährigkeit und Geringschätzung empfindlich zu sein, ging Erikson ein zweites und drittes Mal hin, und erst das dritte Mal wurde er etwas betroffen und erbost, als dieselbe Aufwärterin endlich kundtat, daß die bequeme Dame das Bild um ein Viertel des angegebenen Wertes wieder verkaufe und die Summe für die Armen bestimme, daß der Herr Maler, um ihm nicht fernere Mühe zu machen, es am andern Tage bestimmt abholen und das Geld mitbringen möchte. Er tröstete sich indessen mit der Aussicht, nunmehr sicher ein Vierteljahr nicht malen zu müssen, und das Wetter betrachtend, ob es gute Jagdtage verspräche, machte er sich zum vierten Male auf den Weg.
Die unvermeidliche Alte führte ihn in ihr kleines Wärtergemach und ließ ihn da stehen, um das Kunstwerkchen herbeizuholen. Dieses war aber nirgends zu finden; immer mehr Bedienstete, Köchin, Kammermädchen und Hausknecht rannten umher und suchten in Küche, Keller und Kammern.
Endlich rief das Geräusch die schöne Witwe selbst herbei, und als sie, die, nach dem kleinen wunderlichen Bildchen urteilend, gewähnt hatte, einen ebenso kleinen und dürftigen Urheber zu finden, als sie nun den gewaltigen Erikson dastehen sah, der mit der Stirn beinahe die Decke des niedern Verschlages berührte, indessen sein nordisches Goldhaar glänzend auf die breiten Schultern fiel, da geriet sie in die größte Verlegenheit, zumal er, aus einem ruhigen Lächeln erwachend, sie jetzt mit festem und wohlgefälligem Blick betrachtete. Sie war aber auch des längsten Anschauens wert kaum sechsundzwanzig Sommer alt, stand Rosalie liebreizend da, von der Rosenfarbe der Gesundheit und Lebensfrische überhaucht, von freundlichen Gesichtszügen, mit braunem Seidenhaar und noch brauneren lachenden Augen. Indessen, um ihre Verlegenheit zu endigen, lud sie den Maler ein, in das Zimmer zu kommen, und wie sie eintraten, sahen sie beide zugleich die kleine Gemäldekiste, welche als Fußschemel unter dem Arbeitstischchen der Witwe stand, dieser selbst unbewußt und vergessen, daß sie schon seit einigen Tagen mit ihren Füßchen mutwillig darauf getrommelt.
Errötend lachte sie und zog das Bild eigenhändig hervor. Zugleich aber sagte sie, indem sie einen flüchtigen Blick auf Erikson warf, sie hätte sich eines anderen besonnen und bedaure, ihm das Bild nicht mehr für ein Viertel, sondern nur für die Hälfte des Wertes lassen zu können. Besorgt, sie möchte noch mehr den Preis steigern, zog er seine Börse und legte die Goldstücke auf den Tisch, indessen sie das Bild anscheinend aufmerksam betrachtete und wieder begann je mehr sie die Arbeit, welche sie bisher nur oberflächlich besehen, ins Auge fasse, desto besser gefiele sie ihr, sie müsse nunmehr wirklich die volle Summe fordern! Seufzend bot er drei Vierteile der Summe.
Allein die schöne Witwe war unerbittlich und sagte »Ihr Eifer, mein Herr, durch bares Geld Ihr eigenes Bild wiederzuerwerben, beweist mir den Wert, den ich erst verkannt habe. Ich fordere nun die doppelte Summe, die Freiheit der Frauenlaune benutzend, oder ich will das Werk lieber behalten.«
Als Erikson diese seltsame Steigerung auffiel und er sie zu seinen Gunsten auszulegen und zu wenden beschloß, verbeugte er sich lächelnd, strich sein Geld wieder ein und erwiderte »Da mein kleines Bild eine so gute Stelle gefunden, wäre es lieblos von mir, es derselben zu berauben!« Die Schöne aber fuhr fort »Und damit Sie sehen, daß nicht Habsucht mich zu dieser Steigerung antrieb, bitte ich, mir ein Seitenstück um diesen verdoppelten Preis zu malen, so bald als möglich, und mir jetzt gleich den Platz für beide Bilder aussuchen zu helfen!«
Erikson spazierte wohl eine Stunde mit ihr in den Gemächern herum, bis er den geeigneten Platz gefunden, und als er sich verabschiedete, grüßte sie ihn freundlich, aber kurz, und lud ihn nicht ein, sonst wiederzukommen.
Aber er hatte wohlweislich vergessen, das Maß des Bildchens gleich zu nehmen, und sah sich daher gezwungen, am zweiten Tage sich wieder hinzubegeben, um vieles sorgfältiger gekleidet. Sie erschien sogleich selbst und führte ihn zu dem Bildchen, hielt ihn aber nach getaner Verrichtung durchaus nicht weiter auf. Und doch schien sie dem Weggehenden so froh und munter während des kurzen Besuches, daß er höchst zufrieden nach Hause ging und die neue Arbeit begann. Auch vergingen kaum einige Tage, als ihn Rosalie höchst dringend rufen ließ, um sich wegen des Rahmens mit ihm zu besprechen derjenige
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