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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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große Haufen in Deutschland führt, war ihnen unverständlich und beklemmend; die tausend und aber tausend »Entschuldigen Sie gefälligst, Erlauben Sie gütigst, Wenn ich bitten darf, Bitt' um Entschuldigung«, welche die Luft durchschwirrten und bei den nichtssagendsten Anlässen unaufhörlich verwendet wurden, hatten sie in ihrem Leben nie und in keiner anderen Sprache gehört, selbst das »Pardon Monsieur« der höflichen Franzosen schien ihnen zehnmal kürzer und stolzer, wie es auch nur in dem zehnten Falle gebraucht wird, wo der Deutsche jedesmal um Verzeihung bittet. Aber durch den dünnen Flor dieser Höflichkeit brachen nur zu oft die harten Ecken einer inneren Grobheit und Taktlosigkeit, welche ebenfalls ihren eigentümlichen Ausdruck hatten. Sie erinnerten sich, niemals, weder in ihrer Heimat noch in fremden Sprachen, die in Deutschland so geläufigen Gesellschaftsformeln gehört zu haben »Das verstehen Sie nicht, mein Herr! Wie können Sie behaupten, da Sie nicht einmal zu wissen scheinen! Das ist nicht wahr!« oder so häufige leise Andeutungen im freundschaftlichen Gespräche, daß man das, was ein anderer soeben gesagt, für erlogen halte – welches wieder auf einen andern noch tiefern Übelstand schließen ließ. Auch die allgemeine deutsche Autoritätssucht, welche so wunderlich mit der unendlichen Nachgiebigkeit und Unterwürfigkeit kontrastierte, machte einen peinlichen Eindruck auf die Deutschen vom Grenzsaume des großen Volkes; einer donnerte, die Vorteile seiner Stellung benutzend, den andern an, und wer niemand mehr um sich hatte, den er anfahren, dem er imponieren konnte, der prügelte seinen Hund. Recht eigentlich weh aber tat den Freunden die gegenseitige Verachtung, welche sich die Süd-und Norddeutschen bei jeder Gelegenheit angedeihen ließen und welche ihnen ebenso auf ganz grundlosen Vorurteilen zu beruhen als schädlich schien. Bei Völkerfamilien und Sprachgenossenschaften, welche zusammen ein Ganzes bilden sollen, ist es ein wahres Glück, wenn sie untereinander sich etwas aufzurücken und zu sticheln haben; denn wie durch alle Welt und Natur bindet auch da die Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit, und das Ungleiche und doch Verwandte hält besser zusammen; aber es muß Gemüt und Verstand in dem Scherzkampfe sein und dieser zutreffend auf das wahre Wesen der Gegensätze. Das, was die Nord-und Süddeutschen sich vorwerfen, ist tödlich beleidigend, indem diese jenen das Herz, jene aber diesen den Verstand absprechen, und zugleich kann es keine unbegründetere und unbegreiflichere Tradition und Meinung geben, die nur von wenigen der tüchtigsten Männer beider Hälften nicht geteilt wird. Wo im Norden wahrer Geist ist, da ist immer und zuverlässig auch Gemüt, wo im Süden wahres Gemüt, da auch Geist. Es gibt in Norddeutschland Unwissende und Strohköpfe unter den Gebildeten und in Süddeutschland unter den Bauern Witzbolde und Spekulanten. Wenn nun die drei so oft hören mußten, wie die Nordmänner die Süddeutschen für einfältige Leutchen, für eine Art gemütlicher Duseler ausgaben, und diese ihre nordischen Brüder hinter dem Rücken anmaßende Schwätzer und unerträgliche Prahlhänse schalten, so schnitt ihnen dies widerliche Schauspiel ins Herz, weil sie gekommen waren, den Herd des guten lebendigen deutschen Geistes zu finden, und nun eine große Waschküche voll unnützen Geplauders zu sehen glaubten.
    Wie es Fremdlingen oft zu ergehen pflegt, welche in einem Lande oder in einer Stadt im Genusse des Gastrechtes zusammentreffen, daß sie, dasselbe übel vergeltend, Geist und Sitten, welche sie vorfinden, mit der entfernten Heimat vergleichen und sich in gemeinsamem Tadel auf Kosten des gastlichen Landes einigen, übertrieben auch die drei Freunde vielfach ihren Tadel, nachdem sie einmal den Schmerz einer großen Enttäuschung empfunden zu haben glaubten, und sie redeten sich oft in einen großen Zorn hinein und sagten Deutschland feierlich ab. Erikson sagte, er wolle seiner Zwitternatur ein Ende machen und ein guter Däne werden; Lys behauptete, man müsse an den Deutschen ihr Großes und Eigentümliches benutzen und sich im übrigen nichts um sie bekümmern; nur der grüne Heinrich hing mit seinem ganzen Herzen an Deutschland. Er schmähte es zwar auch mit dem Munde und sprach vielleicht noch Stärkeres als die anderen; er sagte, da er vor allem aus Schweizer sei, wünsche er manchmal ein Welscher zu sein, um nicht mehr deutsch denken zu müssen, und er sei beinahe

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