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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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handeln wollte, und doch wußte er recht gut, daß es nur eine vorübergehende Leidenschaft, eine Art Tollwut sei, für welche er so hartnäckig alles daransetzte, der sonst kein Verschwender war, sondern vielmehr mit großer Sparsamkeit und sehr zweckmäßig die Mittel abwog, welche er an sein Leben und Vergnügen wandte.
    Zuletzt ließ er sich das lockige Haar salben mit den köstlichsten Ölen; die Arme trug er bloß und mit goldenen Spangen geschmückt, und so erschien er mittags, ohne vorher die im Walde lagernden Künstler aufgesucht zu haben, in Rosaliens Landhaus.
    Heinrich hingegen fuhr gleich in der Morgenfrühe mit der übrigen Schar hinaus. Große Wagen, mit Landsknechten über und über beladen und von deren Spießen starrend, fuhren voraus, und ihnen nach die lange Reihe der bunten Gestalten in die helle Morgensonne hinein, am Rande der schönen Buchenwälder, hoch auf dem Ufer des tiefliegenden Stromes, der in glänzenden Windungen sich um die Geschiebe-und Gebüschinseln wälzte.
    Über den Wäldern sah man wie blaue Schatten die Kuppen des fernen Hochlandes.
    Es war ein milder Februartag und der Himmel blau; die herrlichen Buchen wurden bald von der wärmenden Sonne durch schossen, und wenn ihnen das Laub fehlte, so glänzte das weiche Moos am Boden und auf den Stämmen um so grüner, und in der Tiefe dampfte und leuchtete das blaue Bergwasser.
    Der Zug ergoß sich über eine malerische Gruppe von Häusern, welche vom Wald umgeben auf der Uferhöhe lag. Ein Forsthof, ein altertümliches Wirtshaus und eine Mühle an schäumendem Waldbach waren bald in ein gemeinsames, von Farben glänzendes Freudenlager verwandelt und verbunden; die stillen Bewohner sahen sich wie von einem lebendig gewordenen Traume überfallen und umklungen; den Künstlern aber weckte die freie Natur, der erwachende Lenz den Witz in der tiefsten Seele. Die frische Luft verwehte den Rausch der Nacht und legte die zartesten und beweglichsten Fühlfäden der Freude und Aufgeregtheit bloß; wenn die Lust der verschwundenen Festnacht zum größten Teil auf Verabredung und Einrichtung beruhte, so lockte dagegen die heutige, ganz frei und in sich selbst gegründet, wie eine am Baume prangende Frucht, zum lässigen Pflücken. Die schönen, dem phantastischen Fühlen und Genießen angemessenen Kleider waren nun wie etwas Hergebrachtes, das schon nicht mehr anders sein kann, und in ihnen begingen die Glücklichen tausend neue Scherze, Spiele und Tollheiten von der geistreichsten wie von der allerkindlichsten Art, oft plötzlich unterbrochen durch den wohlklingenden, festen Männergesang.
    Heinrich trieb sich überall umher und vergaß sich selber; er war überwacht und doch nicht müde, vielmehr neugierig und begierig, erst recht in den glänzenden Becher des Lebens zu schauen. Das klare Licht, das Land, die Leute, der Gesang umwirkten ihn seltsam. Als alle die Hundert auf den närrischen Einfall eines einzelnen plötzlich auf die Bäume geklettert waren und wie ein großer Schwarm fremder, farbiger Vögel in den kahlen Ästen saßen, blieb er, nachdem sie voll Gelächter hinabgesprungen, in Gedanken auf einer schwanken Birke sitzen; denn er verwunderte sich, wie nun das ganze Wesen in die Runde gleich einer stillen weiten Ferne um ihn war und die Rufe und Lieder selbst wie über eine weite See her klangen, auch die Gestalten wirr und traumhaft sich bewegten. Es war einer jener Augenblicke, wo die Zeit eine Minute stillzustehen scheint und man, von aller Außenwelt losgelöst, endlich sich selbst sieht, fühlt und bemerkt. Es fiel ihm auf, daß er nun schon bei fünf und sechs Jahren zurückzählen konnte, ohne aus dem Bereiche des bewußten, reifenden Alters zu geraten; er fühlte zum ersten Male die Flucht des Lebens.
    Er war nun zweiundzwanzig Jahre alt; plötzlich kam es ihm in den Sinn, daß er in seiner Wohnung diese und jene kleine Gegenstände besaß, ein Pappdeckelchen, eine Schachtel oder gar etwas, das an Spielzeug grenzte, welche unmittelbar aus der Kinderzeit stammten und die er in fortwährendem Gebrauche um sich gehabt, ohne sich dessen innezusein.
    Er sah deutlich ihre Gestalt, kleine Beschädigungen, und erinnerte sich, wo und wann er sie verfertigt, ein Stückchen Papier abgerissen oder mit dem Federmesser daran gekritzelt hatte.
    Sogleich glaubte er vom Baume herunterspringen, nach Hause laufen und die unschuldigen Sachen vernichten zu müssen. Denn sie kamen ihm nun ganz unerträglich vor. Er sah auch seine

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