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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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einem jungen Mädchen? Tanzt miteinander und laßt mich zufrieden!«
    Heinrich fühlte sich halb erzürnt und halb erfreut über diese Antwort, und die dämonische Lust, eine schlimme Sachlage zu benutzen, stieg in ihm auf; doch bis er zu dem harrenden Mädchen gelangte, siegte das Mitleid und die natürliche Artigkeit, und er hinterbrachte ihr nicht Ferdinands harte Worte, sondern suchte sie zu vertrösten.
    Noch einmal tanzten sie und noch bewegter und ungestümer herum, und noch einmal sandte sie ihn zu dem Wankelmütigen und ließ diesen bitten, sie nach Hause zu bringen.
    Ferdinand eilte jetzt sogleich herbei, besorgte den warmen Mantel des Mädchens und ihre Überschuhe, und als sie gut verhüllt war, führte er sie unter die Haustür, legte ihren Arm in denjenigen Heinrichs und bat diesen, indem er sich von Agnes in freundlich väterlichem Wohlwollen verabschiedete, seine kleine Schutzbefohlene recht sorgsam und wacker nach Hause zu geleiten.
    Zugleich verschwand er, nachdem er beiden die Hände gedrückt, wieder in der Menge, welche die breite Treppe auf-und niederstieg.
    Da standen sie nun auf der Straße; der Wagen, welcher sie hergebracht, war nicht zu finden, und nachdem Agnes traurig an das erleuchtete Haus, in welchem es sang und klang, hinaufgesehen, kehrte sie ihm noch trauriger den Rücken und trat, von Heinrich geführt, den Rückweg an durch die stillen Gassen, in denen der Morgen graute.
    Sie hielt das Köpfchen tief gesenkt und vermochte nicht auf den Mantel achtzugeben, welcher alle Augenblicke von den Schultern sank, so daß ihr feiner Oberkörper durch das Zwielicht schimmerte, bis Heinrich sie wieder verhüllte. In der Hand trug sie unbewußt den großen eisernen Hausschlüssel, welchen ihr Lys in der Zerstreuung zugesteckt, statt ihrem Begleiter. Sie trug ihn fest umschlossen in dem dunklen Gefühle, daß Ferdinand ihr das kalte rostige Eisen gegeben. Als sie bei dem Hause angekommen waren, stand sie schweigend und rührte sich nicht, obgleich Heinrich sie wiederholt fragte, ob er die Glocke ziehen sollte, und erst als er den Schlüssel in ihrer Hand entdeckte, aufschloß und sie bat, hineinzugehen, legte sie ihm langsam die Arme um den Hals und küßte ihn, aber wie im Traume und ohne ihn anzusehen. Sie zog hierauf die Arme enger zusammen und küßte ihn heißer und heißer, bis Heinrich unwillkürlich sich regte und sie auch in die Arme schließen wollte. Da erkannte sie ihn, eilte wie wahnsinnig ins Haus und schlug die Tür zu. Heinrich hörte, wie sie, die Treppe hinaufgehend, sich wiederholt an den Stufen stieß. Alles war dunkel und still in dem romantischen Hause; die Mutter schien fest zu schlafen, und nachdem Heinrich eine Weile auf dem kleinen Platze, von seltsamen Empfindungen und Gedanken erfüllt, umhergegangen, schlug er endlich den Rückweg nach dem Odeon ein.
    Die Sonne ging eben auf, als er in den Saal trat. Alle Frauen und viele ältere Männer waren schon weggegangen; die große Menge der Jungen aber, von höchster Lust bewegt, tummelte sich singend durcheinander und schickte sich an, eine Reihe von Wagen zu besteigen, um unverzüglich, ohne auszuruhen, ins Land hineinzufahren und das Gelage in den Forsthäusern und Waldschenken fortzusetzen, welche romantisch an den Ufern des breiten Gebirgsstromes lagen.
    Rosalie besaß in jener Gegend ein Landhaus, und sie hatte die fröhlichen Leute der Mummerei eingeladen, sich auf den Mittag dort einzufinden, bis wohin sie als bereite Wirtin ebenfalls dasein würde. Insbesondere hatte sie viele Damen gebeten, und diese hatten ausgemacht, da es einmal Fasching sei, in der mittelalterlichen Tracht hinauszufahren; denn auch sie wünschten so lange als möglich sich des schönen Ausnahmezustandes zu erfreuen.
    Erikson war nach Flause geeilt, um sich nun gänzlich umzukleiden; mit Hilfe einer ganzen Schneiderwerkstatt brachte er in einigen Stunden noch ein gutes ehrbares Jägergewand zustande, in welchem er hinauseilte. Aber auch Ferdinand war nicht müßig. Er nahm einen Wagen, kaufte teure Stoffe ein und fuhr von Schneider zu Schneider, jedem ein Stück in die Arbeit gebend und dieselben zur größten Eile anspornend. In kaum einer Stunde war die Tracht eines altorientalischen Königs fertig, von feinster weißer Leinwand und Purpurseide. Dann fuhr er zu einem Bankier und von da zu allen Juwelieren, den tauglichsten Schmuck aussuchend und sich mit demselben bedeckend; er verwandte eine solche Summe für Gold und Steine, als ob er damit

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