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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Seite des Lebens wohltuend in sich ruhen und schlummern, und je früher und stärker seine Phantasie und seine Neigungen sonst wach gewesen waren, um so kühler und unbekümmerter lebte er jetzt und glich einen langen Zeitraum hindurch an wirklicher Reinheit der Gedanken dem jüngsten und sprödesten der Gesellen.
    Höchstens spielten die Frauen als Gegenstand der Betrachtung und Untersuchung in den Gesprächen eine zierliche Rolle, wobei sie denn freilich, da die Erfahrung der rüstigen Meinungskraft nicht gleichkam, meistens nicht zu gerecht beurteilt wurden. So war denn auch sogar dieser Umstand schon in jener Knabenzeit vorgezeichnet, wo die jungen Zecher und Prahler zugleich die Mädchenfeinde spielten.
    Sollte sich nun vollends jener Abschluß der Knabenzeit, die Ausstoßung aus der Schule, als eine solche Vorzeichnung erweisen und Heinrich in der Schule des Lebens unhaltbar werden, so waren seine Aussichten nicht die rosenfarbensten, und ein Gefühl dieser Art, abgesehen von dem neulich Erlebten, gab seinem Treiben eine dunkle Grundlage. Indessen war es ihm unmöglich, aus sich herauszugehen, und da er sich unterrichtete und zugleich deutsche Luft atmete, so war es erklärlich, daß er in seiner rhetorischen Welt ein Weiser und Gerechter, ein geachteter Tonangeber war, äußerst Weises und Gerechtes dachte und sprach, ohne im mindesten etwas Gerechtes wirklich zu tun, d.h. für Gegenwart und Zukunft tätlich einzustehen.
    Das Ende davon war, daß er sich nach Verlauf einer guten Zeit mit noch weit bedeutenderen Schulden überhäuft sah als das erste Mal, und diesmal war er es, welcher zuerst das Schweigen brach und, da er sich durchaus zu leben und etwas zu werden getraute, seiner Mutter in einem überzeugenden und hoffnungsvollen Briefe die Notwendigkeit dartat, noch einmal eine gründliche und umfangreichere Aushilfe zu veranstalten. Es war dies weniger eine unedle und selbstsüchtige Zumutung als das ehrliche Bestreben, ehe man die fremden Menschen beeinträchtige, mit allem, was einem angehört, und also auch mit dem Gute seiner Angehörigen einzustehen und von diesen zuerst zu verlangen, volles Vertrauen in das Dasein der Ihrigen zu setzen und mit denselben zu stehen oder zu fallen.
    Die Mutter erschrak heftig über seinen Brief; statt desselben hatte sie den Sohn selber bald erwartet, und jetzt schien alles wieder in Frage gestellt.
    Jedoch da er ja mehrere Jahre älter war, in der Fremde lebte unter soviel gescheiten Leuten, und besonders da sie erfuhr, daß er manches lerne und studiere und so doch noch von der wenig empfohlenen Künstlerei abzukommen schien, hauptsächlich aber weil in ihm der gleiche Trieb, etwas zu werden, wie im verstorbenen Vater zu leben schien und sie selbst ja sich nur als eine Vermittlung zwischen diesen beiden Gliedern betrachtete, zuletzt aber auch einzig und allein, weil das Kind dessen bedürftig war und es forderte, so traf sie unverweilt Anstalten, dem Verlangen zu genügen. Die Ersparnisse wollten aber diesmal nicht viel sagen, und sie mußte, um die angegebenen Mittel aufzubringen, eine Summe auf ihr Haus aufnehmen und eintragen lassen. Dies war nun seit langen Jahren das erste Mal, daß an ihrem kleinen Besitztum eine eingreifende Veränderung vorgenommen wurde, und zwar nicht zu dessen Vermehrung; zudem herrschte gerade eine Geldklemme, so daß die gute Frau viele Mühe und viele saure Gänge bei Geschäftsleuten und Unterhändlern aller Art zu bestehen hatte, bis endlich das Geld in ihrem Schreibtische lag und sie dazu noch die Darleiher, welche für ihren Nutzen hinlänglich gesorgt hatten, als große Wohltäter betrachten mußte. Nur war sie aber auch so müde und eingeschüchtert, daß sie nicht vermochte, sich etwa nach einem bequemen Wechselbrief umzusehen, sondern sie wickelte das Geld in vieles starkes Papier ein, umwand es mit vielen dicken Schnüren und wandte es seufzend und unter Tränen um und um, überall das heiße Siegelwachs aufträufelnd und höchst ungeschickt siegelnd und petschierend.
    Dann legte sie das schwere unbeholfene Paket in ihren Strickbeutel, nahm diesen auf den Arm und schlich damit auf Seitenwegen zur Post; denn sie wünschte um alles in der Welt nicht, daß jemand sie sähe, und zwar aus dem Grunde, weil sie, befragt, wo sie mit dem Gelde hinwolle, durchaus um eine Antwort verlegen gewesen wäre. Sie reichte, den seidenen Ridikül verschämt und zitternd abstreifend, den Pack durch das Schiebefensterchen, der Postbeamte besah die

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