Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
Vom Netzwerk:
mattglühenden schwarzen Augen und unbändigen Haaren, deren Ebenholzschwärze durch den verwischten Puder glänzte, die Erfahrungen eines Greises in sich zu tragen schien. Auf der Mitte der Bank, deren hohe, zierlich gemeißelte Lehne man durch die Lücken bemerkte, saß ein ausgemachter Taugenichts und Hanswurst, welcher mit offenbarem Hohne, die Nase verziehend, aus dem Bilde sah und seinen Hohn dadurch noch beleidigender machte, daß er sich durch eine vor den Mund gehaltene Rose das Ansehen gab, als wolle er denselben gutmütig verhehlen. Auf diesen folgte ein stattlicher Mann in Uniform; dieser blickte ruhig, fast schwermütig, aber doch mit mitleidigem Spotte drein, und endlich schloß den Halbkreis, dem Jüngling gegenüber, ein Abbé in seidener Soutane, welcher, wie eben erst aufmerksam gemacht, einen forschenden stechenden Blick auf den Beschauer richtete, während er eine Prise zur Nase führte und in diesem Geschäft einen Augenblick anhielt, so sehr schien ihn die Lächerlichkeit, Hohlheit oder Unlauterkeit des Beschauers zu frappieren und zu bösen Witzen aufzufordern.
    So waren alle Blicke, mit Ausnahme derjenigen des Mädchens, auf den gerichtet, der vor das Bild trat, und sie schienen mit unabwehrbarem Durchdringen jede Selbsttäuschung, Halbheit, Schwärmerei, jede verborgene Schwäche, jede unbewußte oder bewußte Heuchelei aus ihm herauszufischen.
    Auf ihren eigenen Stirnen, um ihre Mundwinkel ruhte zwar unverkennbare Hoffnungslosigkeit; aber trotz der Blässe, die ohne den rötlichen Greis alle überzog, steckten sie in einer unverwüstlichen Gesundheit, wie die Fische im Wasser, und der Betrachter, der seiner nicht ganz bewußt war, befand sich so übel unter diesen Blicken, daß man eher versucht war auszurufen Weh dem, der vor der Bank der Spötter steht!
    Waren nun Absicht und Wirkung dieses Bildes verneinender Natur, so war dagegen die Ausführung mit dem wärmsten Leben getränkt. Jeder Kopf zeigte eine inhaltvolle wirkliche Persönlichkeit und war für sich eine ganze tragische Welt oder eine Komödie und nebst den feinen arbeitlosen Händen vortrefflich beleuchtet und gemalt. Die gestickten Kleider der wunderlichen Herren, die altrömische Tracht des Weibes, ihr blendender Nacken, die Korallenschnur darum, die schwarzen Zöpfe und Locken, die Bildhauerarbeit an dem alten Marmortische, selbst der glänzende Sand des Bodens, in welchen sich der Fuß des Mädchens drückte, diese Knöchel im blaßroten Seidenschuh alles dies war so breit und sicher und doch ohne Manier und Unbescheidenheit, sondern aus dem naivsten Wesen heraus gemalt, daß der Widerspruch zwischen dem freudigen Glanz und dem kritischen Gegenstand des Bildes die sonderbarste Wirkung hervorrief. Lys nannte dies Bild seine »hohe Kommission«, den Ausschuß der Sachverständigen, vor welchen er sich selbst zuweilen mit bangem Herzen stelle; auch führte er etwa einen armen Sünder, dessen Wohlweisheit und Salbung nicht aus dem lautersten Himmel zu stammen schien, vor die Leinwand und beobachtete die verlegenen Gesichter, die er schnitt.
    Als wir wiederholt von einem Bilde zum andern gingen, ich dazwischen auch bei diesem oder jenem allein zurückblieb, wußte ich nicht ein Wort zu dem Gespräche beizutragen, sondern unterlag schweigend dem Eindrucke, den ein so entschiedenes Können auf den machte, der es nicht übersah. Erikson dagegen, welcher ein so beschränktes und bescheidenes Arbeitsfeld besorgte, hatte so vieles geübt und gesehen, daß er sich mit Leichtigkeit und Verständnis aussprechen konnte. Er pflegte auch zu sagen, er verstehe nun gerade genug von der Kunst, um ein anständiger Liebhaber und Sammler zu sein, wenn das Glück ihn reich machen wollte, und um diesen Preis würde er sofort seine Palette an den Nagel hängen. In der Tat wußte er Altes und Neues wohl zu beurteilen und zu würdigen, ungleich so manchen Künstlern, die alles hassen oder geringschätzen oder einfach nicht verstehen, was nicht in ihrer Richtung liegt. Diese leidenschaftliche Beschränktheit ist freilich für manche notwendig, wenn sie auf dem Punkte beharren sollen, dem sie allein gewachsen sind, weil Anspruch und Bescheidung sich selten glücklich mischen. Auf jene Äußerung erwiderte dann Lys zuweilen, es sollte allerdings ab und zu einer von der Ausübung freiwillig zurücktreten, um der Kennerschaft frisches Blut zuzuführen; die Literaten seien wohl nützlich für das Logische und Chronologische, das Graphische und Biographische,

Weitere Kostenlose Bücher