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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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einige Maler die neue historische Komposition des berühmten Akademiedirektors besprochen und von der logischen Anordnung, der schneidenden Sprache, der dialektischen Auseinanderhaltung der begrifflichen Gegensätze, der polemischen Technik bei einem dennoch harmonischen Ausklingen der Skepsis in der bejahenden Tendenz des Gesamttones zu reden gewußt hätten, kurz, es scheine keiner Zunft mehr wohl in ihrer Haut zu sein und jede im Habitus der andern einherziehen zu wollen.
    Wahrscheinlich handle es sich um das Ermitteln und Feststellen eines neuen Inhaltes für sämtliche Wissenschaften und Künste, wobei man sich beeilen müsse, nicht zu kurz zu kommen.
    »Ich sehe schon«, rief Lys mit Lachen, »wir müssen doch noch hinübergehen, damit Sie sehen, daß wir wenigstens noch mit Farben malen!«
    Er ging voran und öffnete die Türe zu einer Reihe von Räumen, in welchen je eines seiner Bilder, an denen er arbeitete, ganz allein und in der besten Beleuchtung aufgestellt war, so daß der Blick durch nichts anderes abgezogen und zerstreut wurde. Die spätere Nachmittagssonne, die auf den Wolken draußen, auf der weiten Landschaft und den tempelartigen Gebäuden lag, ließ die an sich schon leuchtenden Bilder durch ihren hereinfallenden Reflex noch verklärter erscheinen, so daß sie in der Stille des Raumes einen seltsam feierlichen Eindruck machten. Das erste war ein Salomo mit der Königin von Saba, ein Mann von eigentümlicher Schönheit, der sowohl das Hohelied gedichtet als geschrieben haben mußte Alles ist eitel unter der Sonne! Die Königin war als Weib, was er als Mann, und beide, in reiche Gewänder gehüllt, saßen allein und einsam sich gegenüber und schienen, die glühenden Augen eines auf das andere geheftet, in heißem, fast feindlichem Wortspiele sich das Rätsel ihres Wesens, der Weisheit und des Glückes herauslocken zu wollen. Das Merkwürdige dabei war, daß der schöne König in seinen Gesichtszügen ein verschönter und idealisierter Lys zu sein schien. Im Zimmer war sonst nichts als eine flache blankgeputzte Messingschüssel von alter Arbeit mit einigen Orangen, die zufällig auf einem Ecktischchen stehen mochte. Die Figuren des Bildes waren von halber Lebensgröße.
    Das Bild im nächsten Raume stellte Hamlet den Dänen dar, aber nicht nach einer Szene des Trauerspieles, sondern als das von einem guten Künstler gemalte Bildnis gedacht, als das Porträt des in seine Staatsgewänder gekleideten, noch ganz jungen und blühenden Prinzen, um dessen Stirn, Augen und Mund jedoch schon das verschleierte Schicksal der Zukunft schwebte.
    Dieser Hamlet erinnerte ebenfalls an den Maler selbst, aber mit so großer Kunst verhüllt, daß man nicht wußte, woran es lag. In einer Ecke des Zimmers lehnte ein Schwert mit reich in Stahl und Silber gearbeitetem Korbe, welches offenbar zum Modell gedient hatte oder noch diente. Dieser vereinzelte Gegenstand erhöhte noch den Eindruck der Einsamkeit und sanften Trauer, der von des Bildes stillem Leuchten ausströmte. Im übrigen hatte das Kniestück die volle Lebensgröße.
    Von diesem Raume ging es endlich in den letzten hinüber, der schon ein Saal zu nennen war. Gleich den übrigen Bildern bereits mit dem schweren Schmuckrahmen versehen, stand hier die größte Komposition, deren Veranlassung die Bibelworte gegeben Wohl dem, der nicht sitzet auf der Bank der Spötter! Auf einer halbkreisförmigen Steinbank in einer römischen Villa, unter einem Rebendache, saßen vier bis fünf Männer in der Tracht des achtzehnten Jahrhunderts, einen Marmortisch vor sich, auf welchem Champagnerwein in hohen venezianischen Gläsern perlte. Vor dem Tische, mit dem Rücken gegen den Beschauer gewendet, saß einzeln ein üppig gewachsenes junges Mädchen, festlich geschmückt, welches eine Laute stimmt und, während sie mit beiden Händen damit beschäftigt ist, aus einem Glase trinkt, das ihr der nächste der Männer, ein kaum neunzehnjähriger Jüngling, an den Mund hält. Dieser sah beim lässigen Hinhalten des Glases nicht auf das Mädchen, sondern fixierte den Beschauer, indessen er sich zu gleicher Zeit an einen silberhaarigen Greis mit rötlichem Gesicht lehnte. Der Greis sah ebenfalls auf den Beschauer und schlug dazu spöttisch mutwillig ein Schnippchen mit der einen Hand, während die andere sich gegen den Tisch stemmte. Er blinzelte ganz verzwickt freundlich mit den Augen und zeigte allen Mutwillen eines Neunzehnjährigen, indessen der Junge, Mit trotzig schönen Lippen,

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