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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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unerschöpfliche Quelle schöner Bewegung, so schüttelte er den Kopf und meinte, er könne doch nicht ein Naturspiel heiraten!
    Dennoch setzte er seine Besuche in dem schlanken Häuschen, drin das schlanke Wesen wohnte, fort und hütete sich nur, etwas Verliebtes zu tun oder zu sagen. Die Augen des Mädchens kamen ihm vor wie ein stilles Wasser, das wohl widerstandslos, aber auch für einen guten Schwimmer nicht gefahrlos ist, da man nicht wissen kann, welche Pflanzen oder Tiere es in seiner Tiefe verbirgt. Von der unbestimmten Vorstellung solcher Fährlichkeiten bedrückt, geriet er in ungewohnte Sorgen und stieß hie und da einen Seufzer aus, ohne es zu wissen; diese Seufzer aber entfachten die geheime Glut einer herzlichen Neigung, die seit geraumer Zeit in dem kaum siebzehnjährigen Mädchen entzündet war, zur lebendigen Flamme. Jedermann konnte das liebliche Feuer sehen; auch wir Freunde sahen es, als Lys bei den beiden Frauen zuweilen eine kleine Abendbewirtung anstellte und uns dazu einlud, um nicht allein dort zu sein und doch das Haus nicht meiden zu müssen. Wir sahen, wie sie stets die Augen auf ihn richtete, sich traurig wegwendete und doch immer wieder näherte, während er sich zwang, es nicht zu bemerken, aber sichtlich sich hundertmal zurückhalten mußte, sie mit der zuckenden Hand nicht zu berühren. Gelang es ihr dagegen einmal, sich so zu stellen, als ob sie seine trocken väterliche Art verstehe und würdige, und dabei ein Weilchen die Hand auf seiner Schulter liegenzulassen oder gar sich wie ein unbefangenes Kind einen Augenblick an ihn zu lehnen, so leuchtete das Glück aus ihren Augen, und sie blieb dann den ganzen Abend hindurch zufrieden und genügsam.
    Das Verhältnis begann für alle schwierig und bedenklich zu werden, die Mutter ausgenommen, welche die Belebung ihres Hauses angenehm empfand und nicht zweifelte, daß Lys eines Tages mit einem ernsten Antrage sich einstellen werde, gerade weil er so zurückhaltend sei. Auch Erikson mühte sich, anderweitig in Anspruch genommen, nicht stark um die Sache, und besonders wenn wir das zierliche Haus zusammen verließen, ging er unverweilt seine eigenen Wege, während ich mit Lys bald vor seine, bald vor meine Haustüre zu wandeln und dort noch stundenlange zu verhandeln und zu streiten pflegte. Ich wagte zwar nicht, ihn des Mädchens wegen offen zur Rede zu stellen; denn er war hierin kurz abgebunden und stellte sich, je unentschlossener er sich fühlte, um so fester, als einer, der wisse, was er tue und zu tun habe. Dafür nahm ich den Umweg durch metaphysische Disputationen, weil ich die Leichtfertigkeit, deren ich ihn mit aufrichtigen Schmerzen bezüchtigte, mit der Gottlosigkeit zusammenwarf, welche er in so später Stunde ebenso eifrig und närrisch verteidigte, wie ich sie unaufhörlich angriff. Wir sprachen zuweilen so lange und so laut durch die Stille der Nacht, daß die Scharwächter der Stadt uns zur Schonung der schlafenden Bürger vermahnten. Plötzlich aber, zur Zeit da das Künstlerfest vorbereitet wurde, unterbrach Lys einmal meine Rede, von der er wohl merkte, wo sie hinauswollte, und kündigte mit ruhigen Worten an, daß er die Agnes als seine Festgefährtin einladen und auf den Verlauf des Festes abstellen wolle, ob eine bleibende Verbindung zwischen ihnen sich ergeben werde. Bei derartigen Anlässen, sagte er, pflegen die befangenen Menschenkinder aus sich herauszugehen und schicksalsfähiger zu sein als in gewöhnlichen Tagen. Auch für ihn stehe die Sache so, daß er einer zufälligen Entscheidung bedürfe, indem die Kraft des Wunsches und die Besorgnis eines Fehltrittes sich vollkommen die Waage hielten.
    Agnes blühte augenblicklich in neuer Hoffnung auf, als der Geliebte das Wort des Heiles an sie richtete; denn sie hatte schon in stiller Trauer dem Gedanken entsagt, im Glanze jener Festfreuden ihm auch nur nahe sein zu können. Aber sie wollte das Heil nicht berufen und fügte sich still und demütig allen seinen Anordnungen, als er mit den reichen Stoffen zu ihren Gewändern erschien, welche die schlanke Gestalt umspannen, ihren Wuchs zum Ausdrucke rein geprägter Schönheit bringen sollten. Aber während er ihre schwarzen Haarwellen, die für drei Mädchenköpfe ausgereicht hätten, vorprüfend durch die Hände laufen ließ und in neue Lagen ordnete und sie lautlos das Haupt dazu hinhielt, beschloß sie in diesem selben jungen Haupte stumm und feierlich, nur darnach zu trachten, wie sie ihn im rechten Augenblick in

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