Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]
ihre Arme zwingen und ihr Leben unauflöslich mit dem seinigen verbinden möge. Der kühne Vorsatz konnte nur die Ausgeburt des kindlich einfachen, aber in Aufregung geratenen Wesens sein.
Dreizehntes Kapitel
Wiederum Faßtnacht
Das größte Theater der Residenz war in einen Saal umgewandelt und hatte, voll erleuchtet, bereits die beiden Körper des Festheeres, die Darstellenden und die Zuschauer, in sich aufgenommen. Während auf den Galerien und in den Logen reihen die schauende Welt versammelt harrte und einstweilen sich selbst in ihrem Schmucke betrachtete, summten die Seitensäle und Gänge, dicht angefüllt von den sich ordnenden Künstlerscharen. Hier wogte es hundertfarbig und schimmernd durcheinander. Jeder war für sich eine inhaltvolle Erscheinung und Person, und indem er selber etwas Rechtem gleichsah, schaute er freudig den Nächsten, welcher in der schönen Tracht nun ebenfalls so vorteilhaft und kräftig erschien, wie man gar nicht hinter ihm gesucht hätte, trotzdem der Kern der Festgebenden nicht aus leeren Figuranten und Lebemenschen, sondern aus schwungvollen, vom Genius gehobenen Jünglingen und längst in gediegener Arbeit ausgereiften Männern bestand, welche einen rechtsgültigen Anspruch besaßen, die bewährten Vorfahren darzustellen. Außer den Malern und Bildhauern gingen im Zuge Baumeister, Erzgießer, Glas-und Porzellanmaler, Holzschneider, Kupferstecher, Steinzeichner, Medailleure und viele andere Angehörige eines voll ausgegliederten Kunstlebens. In den Gießhäusern standen zwölf Ahnenbilder für den Königspalast, soeben vollendet, jedes zwölf Fuß hoch und im Feuer vergoldet. Zahlreiche Statuen von Landes-und Geistesfürsten eigener und fremder Nationalität, zu Roß und Fuß, samt den Bildwerken ihrer Fußgestelle waren schon vollendet und in der Welt zerstreut, riesenhafte Unternehmungen begonnen, und es ging in den Feuerhäusern wohl schon so gewaltsam und kraftvoll her wie an jenem Gußofen zu Florenz, als Benvenuto seinen Perseus goß. In Fresko und Wachs waren schon unabsehbare Wände bemalt; haushohe gemalte Fenster wurden gebrannt und zusammengesetzt in einem Farbenfeuer, das der Auferstehung einer untergegangenen Kunst angemessen war, um sie würdig zu feiern. Was die Gemäldesammlungen an seltenen und unersetzbaren Schätzen auf vergänglicher Leinwand bewahrten, wurde zur Erhaltung in dauernder Wiedergabe von geübten Arbeitern mit anspruchlosem Fleiße auf Porzellantafeln und edle Gefäße übergetragen mit einer Kunst, die erst seit wenig Jahren in solchem Grade bestand. Was nun der ganzen Trägerschaft dieser Kunstwelt, den großen und kleineren Meistern, den Gesellen und Schülern einen erhöhten Wert verlieh, das war der reinere Abglanz der ersten Jugendreife einer solchen Epoche, deren ideale Freudigkeit im selben Zeitalter selten wiederkehrt, eher schon von den leichten Schatten der Verbildung und Ausartung da und dort umschwebt wird. Alle, auch die Bejahrteren, waren noch jung, weil die ganze Zeit jung und die Spuren eines bloßen Könnens ohne Gefühl noch wenig zahlreich waren.
Jetzt öffneten sich die Türen, und die Trompeter und Pauker, welche klangvoll erschienen, verbargen mit ihren Reihen den hinter ihnen anschwellenden Zug, so daß man erwartungsvoll harrte, bis sie vorgeschritten der reichen Entfaltung Raum gaben. Ihnen folgten zwei Zugfahrer mit dem Nürnberger Wappen, dem Jungfernadler auf den weiß und roten Röcken, und hinter diesen schritt schlank und zierlich einher, einen mächtigen Laubkranz auf dem Haupte, den goldenen Stab in der Hand, der Führer der stattlichen Zunft der Meistersänger. Alle bekränzt, ging die gute Schar derselben daher mit ihrer Spruchtafel, voran die wanderlustige Jugend in kurzer Tracht, welcher die Alten folgten, den ehrwürdigen Hans Sachs umgebend, der sich im dunkelfarbigen Pelzmantel wie ein wohlgelungenes Leben mit dem Sonnenschein ewiger Jugend um das weiße Haupt darstellte.
Aber das bürgerliche Lied war dazumal so reich und überquellend, daß es jede Meisterschaft begleitete und hauptsächlich auch unter dem Banner der nun folgenden Baderzunft hinter Schermesser und Bartbecken herging. Da war Hans Rosenblüt, der Schnepperer, der vielgewanderte Schalks-und Wappendichter, ein krummbuckliger munterer Gesell mit einer großen Klistierspritze im Arm. Mit langen Schritten folgte diesem der hochbeinige Hans Folz von Worms, der berühmte Barbier und Dichter der Fastnachtsspiele und Schwänke und als solcher
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