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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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ein aphrodisisches im besten Sinne bezeichnet werden, ein solches nämlich, das der Eignerin wohl bewußt war und von ihr selbst darum mit edler Sitte gehütet wurde.
    Um die gegenseitige Verwunderung und Verlegenheit zu endigen, lud die Errötende mit zurückgekehrter Geistesgegenwart den Maler ein, in das Zimmer zu treten, und wie sie dort waren, entdeckte er die kleine Gemäldekiste, welche als Fußschemel unter dem Arbeitstischchen der Witwe stand, von dieser nicht beachtet oder vergessen.
    »Hier ist's ja!« sagte Erikson und zog das Kistchen hervor. Es war noch nicht einmal geöffnet worden; denn der Deckel haftete noch leicht aufgeschraubt an demselben. Erikson machte ihn mit wenig Mühe los, und das kleine Bild glänzte nun in seinem Rahmen, der nach einem alten reichen Muster gearbeitet war, mit aller Frische im Tageslichte. Inzwischen hatte die junge Frau die Lage der Dinge schnell zu erfassen gesucht und wünschte vor allem der Beschämung zu entgehen, die ihr die nachlässige Art, eine Kunstsache zu behandeln, zuziehen konnte. Von neuem errötend, sagte sie, sie habe in der Tat nicht gewußt, um was es sich handle; nun aber, obgleich sie keine Kennerin sei, scheine ihr doch das Bildchen von vorzüglichem Werte, und sie glaube den Schöpfer desselben zu beleidigen, wenn sie nicht mindestens die Hälfte des Ankaufspreises verlange. Besorgt, sie möchte ihre Forderung abermals erhöhen, beeilte sich Erikson, die Börse zu ziehen und die Goldstücke hinzulegen, indes die Dame das einfache Landschäftlein immer aufmerksamer betrachtete und die schönen Augen in dem sonnigen Gefildchen spazierengehen ließ, wie wenn sie Land und Meer des Golfes von Neapel vor sich hätte. Dann blickte sie wie verschüchtert zu dem Recken empor und begann wieder je mehr sie das Bild ansehe, desto besser gefalle es ihr, und sie müsse nun die volle Summe dafür fordern!
    Seufzend bot er drei Vierteile, um wenigstens etwas zu retten. Allein sie scheute sich keineswegs, auf ihrer Wortbrüchigkeit zu beharren, und erklärte, das Bild lieber behalten als es unter dem Werte hingeben zu wollen. »In diesem Falle wäre es lieblos von mir«, versetzte Erikson, »mein kleines Werk einer so guten Stelle zu berauben; auch habe ich keine weitere Ursache mehr, auf einem Handel zu bestehen, der mir keinen Gewinn bringt!«
    Er strich hiemit sein Geld wieder ein und machte Anstalt, sich zu entfernen.
    Doch die Schöne, den Blick auf das Bildchen gerichtet, bat ihn mit einiger Verlegenheit, noch einen Augenblick zu verziehen. Erst jetzt bot sie ihm einen Stuhl an, um Zeit zu gewinnen, ihre Genugtuung für den solchem Manne angetanen Affront vollständig zu machen. Endlich besann sie sich auf den schicklichsten Ausweg und fragte Erikson mit höflichen Worten, ob sie ein Gegenstück zu dem Bilde bei ihm bestellen dürfe, das ebenso freundlich und friedlich auf das Auge wirke, so daß sie sozusagen für jedes Auge einen solchen Ruhepunkt hätte, wenn sie an ihrem Schreibtische säße, über welchem sie die Bildchen aufzuhängen gedenke. Dieser optische Unsinn erweckte eine vergnügliche innere Heiterkeit des Malers, und obgleich er hergekommen war, um eine Verminderung statt Vermehrung der Arbeit zu erzielen, bejahte er natürlich die Frage in verbindlicher Weise, worauf aber die Witwe plötzlich die Unterhaltung abbrach und den Maler mit zerstreutem Wesen entließ.
    Diesen bisherigen Verlauf hatte uns Erikson am Abend des gleichen Tages als hübsches Abenteuer selbst erzählt; in der folgenden Zeit aber kam er nicht mehr darauf zurück, sondern beobachtete über den Gegenstand ein sorgfältiges Schweigen. Wir errieten trotzdem an einem Zeichen, wie es stand, als er eines Tages, von dem fertiggewordenen zweiten Bildchen sprechend, nicht vermeiden konnte, der Bestellerin zu erwähnen, und sie dabei unvorsichtig bei ihrem Taufnamen Rosalie nannte. Wir andere sahen uns schweigend an; denn wir mochten ihn als aufrichtige Freunde, die ihm verdientermaßen zugetan waren, auf seinen Wegen nicht stören.
    Selbst einer reichen Brauersfamilie entsprossen, war das junge Mädchen in Befolgung einer alten Hauspolitik dem Bräuherren verbunden worden, da die Grundlage des klassischen Nationalgetränkes an sich von öffentlicher Bedeutung und wichtig genug war, derartige Überlieferungen zu tragen.
    Nachdem aber der kräftige Bräuherr unversehens von einem gefährlichen Fieber dahingerafft worden, sah sich die Witwe mit einem Schlage in volle Freiheit und

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